Donnerstag, 7. Februar 2013

Rezension: Carcassonne Winter-Edition von Hans im Glück

Klaus-Jürgen Wrede: CARCASSONNE – WINTER-EDITION für 2 bis 5 Personen, Hans im Glück 2012, Illustration von Anne Pätzke

Das wir auch das noch erleben dürfen? Jetzt also die Winter-Edition. Der Winter ist doch schon fast vorbei. Packe ich da noch das Spiel aus? Im Sommer spiele ich das normale blaue CARCASSONNE. Brauche ich da eine an den Winter angepasste Ausgabe? Brauchen Sie die?
Ja, denn eigentlich ist diese Edition ganz schön. Aber wenn Sie und ich die Optik jetzt zu schön finden, dann folgen bestimmt noch eine Frühjahr-, Sommer- und Herbst-Edition. Mit immer neuer Grafik und anderen Illustratoren. Aber zurück zum Spiel. Der Verlag hat sich viel Mühe gegeben. Auf einem Plättchen erscheint nicht nur die normale Winterfauna, irgendwo versteckt sich sogar ein Tier, das nur in Bayern vorkommt. Wie es heißt? Suchen Sie doch selbst …
 

Und wenn Ihr Kopf so über der Auslage helikoptert, was sehen Sie? Weiß-blauen Schnee, schneegeräumte bräunliche Städte und silberne Straßen? Räumfahrzeuge fehlen aber weit und breit. Und was sehe ich, wenn die Plättchen alle ausliegen? Sahne mit Karamellpudding, so einen Fleckenpudding aus der Werbung.


Aber das Spiel ist trotzdem super. Schon an der Originalversion führt kein Weg vorbei. Die Einleitung zu meiner CARCASSONNE-Kritik aus 2001 ist natürlich sehr zeitgeistig. Damals gab es gerade große Aufregung um den Deutschen Spielepreis, der seitdem deutlich an Seriosität gewonnen hat. Der Merz-Verlag hat nach der unschönen Entgleisung bei der Auszählung durchaus die richtigen Weichen gestellt. Die Auswertung der Abstimmung wird seitdem extern erledigt. Das hat sich bis heute bewährt, aber damals schlugen die Wellen ganz schön hoch. Auch die Jury war stark beschäftigt. Drei Mitglieder sind auf einen Schlag ausgetreten.


Als meine Kritik erschienen ist, hatte die Jury noch nicht ihr abschließendes Verdikt über CARCASSONNE gesprochen. Die Rezension erschien in Fairplay 55 (Text verfasst am 26.02.2001).



CARCASSONNE


Woran messen?

Was soll ich nur machen? Es gibt keinen spielerischen Olymp mehr. An welcher Messlatte kann ich CARCASSONNE jetzt noch messen? ... wo sich der Deutsche Spielepreis dummerweise selbst abserviert hat. Wie konnten mir die beiden Damen vom Friedhelm-Merz-Verlag das nur antun!? An deren Stelle hätte ich die Multiplikation mit Faktor 12 locker ausgesessen, mit mindestens eben solcher Routine wie unser Ex-Kanzler und die Jury es getan hätten. Warum geben sie sich nur einer virtuellen Diskussion geschlagen? Da hätte doch genauso gut einer behaupten können, die Jury wäre eine Geheimgesellschaft, die ausgestoßenen Mitgliedern die Zunge abschneidet. Wahrscheinlich hat nur das österreichische Ex-Mitglied seine Zunge verloren, die drei neuen Ex-Mitglieder sind offensichtlich dem Jury-Messer entkommen. Also, was mache ich jetzt? Muss ich CARCASSONNE wirklich noch am Spiel des Jahres messen?
Ein Glück, dass ich mich auf unsere Leserinnen und Leser verlassen kann. Die haben schon gleich in Essen den richtigen Riecher bewiesen und CARCASSONNE sehr gut bewertet. Soll ich etwa dem noch etwas hinzufügen? Klar, ein paar Details fehlen doch noch.
Haben Sie schon mal etwas von einem mehrdimensionalen Legespiel gehört? Ich meine das natürlich nur übertragen, denn Sie müssen keine Steine übereinander stapeln. Dennoch: Immer wenn Sie an der Reihe sind, müssen Sie nicht nur überlegen, wohin das Kärtchen am besten passt, es steht auch noch eine andere Entscheidung an. Platziere ich auf dem Kärtchen eine meiner (irgendwann bestimmt knappen!) Figuren oder lasse ich es bleiben? Vier Möglichkeiten stehen zur Wahl. Drei sind einfach, eine etwas komplizierter. Die letztere hat mit Bauern zu tun, und falls Sie diesen Schlag Menschen kennen, wissen Sie, warum es kompliziert zugeht.
Als erstes zu den Rittern. Sind auf Ihrem Kärtchen städtische Mauern, Türme oder Häuser zu sehen? Ja, dann dürften Sie auf dem Kärtchen, dort wo die Stadt ist, einen Ritter aufstellen. ... oder ist da auch ein Stück Straße? Auf die Straße gehört dann vielleicht ein Wegelagerer. Was meinen Sie? Ist weder das eine noch das andere zu sehen, dann müsste doch ein Kloster auf Ihrem Plättchen sein. Dann könnten Sie dort eine Figur als Mönch abstellen. Aber seien Sie gewarnt, vergeuden Sie Ihre Figuren nicht. Sie bekommen Sie nur zurück, wenn Stadt, Weg oder Kloster vollendet ist. Dazu muss der Ring um die Stadt komplett geschlossen sein, muss ein Weg sich an zwei Enden schließen oder müssen alle acht Karten rings um das Kloster gelegt sein. Dann gibt’s Punkte - und zwar um so mehr, je größer die Stadt und je länger der Weg ist. Beim Kloster sind’s immer neun.
Da heißt es aufpassen, denn so mancher hat seine Figur schon in einer Stadt platziert, deren Komplettierung gar nicht mehr möglich war. Bestimmte Kombinationen von Stadt, Straße und Kloster gibt es auf keinem Kärtchen. Gut, wenn man seine Figur zum richtigen Zeitpunkt wieder zurück bekommt. Gerade im 2-Personen-Spiel sollte man sich nicht zu lange binden, sonst wird man vom Gegenüber gnadenlos eingemacht.
Haben ich nicht noch etwas vergessen? Klar, die besonders erdverbundenen Bauern! ... die bewegen sich nicht wieder vom Fleck. Stehen sie erst auf einer Wiese, bleiben sie auch bis zum Spielende dort stehen. Obacht, denn das Bauernvolk abzurechnen, erfordert einiges an Überblick. Für die Bauern gibt’s satte vier Punkte pro Stadt nur, wenn diese auch vollständig fertig gestellt ist. Außerdem entsteht bei diesem Schlag Figuren schnell Streit um die Mehrheit auf einer Wiese. Zwar darf niemand in dieselbe Wiese einsetzen, was aber auch niemanden daran hindert, Wiesen mit eigenen Bauern an fremde zu koppeln. Dann geht’s so richtig rund, denn oft entscheiden gut eingesetzte Bauern über Sieg oder Niederlage. So eine Wiese kann sich über allerhand Ecken ausdehnen, denn die Begrenzung durch Städte und Straßen schlägt manch eigenwilligen Bogen. Da ist dann die nötige Übersicht gefragt oder eben das geschickte Bemänteln der eigenen Bauern-Übermacht.
CARCASSONNE hat mich vollständig überzeugt, spielt’s sich doch jedes Mal anders, aber mit jedem Mal besser. ... egal, ob zu Zweit oder zu Fünft. Wenn Sie sich schon ein CARCASSONNE zugelegt haben, kann ich Sie nur beglückwünschen. Sollten Sie noch keines besitzen, dann begeben Sie sich direkt in einen Spielwarenladen. Kaufen Sie kein anderes Spiel, und ruhen Sie nicht eher, bis Sie’s zu Hause haben. ... und das Spielen nicht vergessen!

Wolfgang Friebe

CARCASSONNE von Klaus-Jürgen Wrede für 2 bis 5 Personen, Hans im Glück 2000

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