Montag, 23. Februar 2004

+ Gülle Gülle

Bauernalltag

Dieses Spiel stinkt nicht, weder leicht säuerlich noch stechend. GÜLLE, GÜLLE bleibt geruchlos. Ein guter Landwirt merkt nichts vom Gestank, wenn seine Gülle aus dem Fass spritzt. Wofür gibt es vollklimatisierte Treckerkabinen? Nur ein Tropfen Gülle in die Schachtel, und das Spiel wäre authentisch. So zeigt sich der bäuerliche Alltag von seiner geruchlosen, aber um so eintönigeren Seite. Runde um Runde versteigern, Acker umbrechen, versteigern, Gülle aufbringen, versteigern, Mais ernten ... Nach drei Runden beginnt die Schose von vorn. Jedes Tagwerk beginnt mit der Auktion der obersten Karte: Kuh oder Acker. Bezahlt wird mit Maiskolben. Geld kennen unsere Bauern sowieso nicht, allerhöchstens klagen sie darüber, keines zu haben. Der Tauschhandel lebt fort ...

Zurück zu bäuerlicher Wirklichkeit. Mit nur vier Maiskarten startet jeder Landwirt, davon ersteigert man einen Acker und dann erst eine Kuh, umgekehrt geht’s natürlich auch, ist aber nicht ganz so gut. Die Kuh produziert Runde um Runde Gülle, die man ohne Acker nicht unterpflügen und deshalb stapeln muss. Mit Acker und Kuh wäre die Ertragssituation schon fast perfekt. In der ersten Runde pflügt man den Acker und nimmt nach getaner Arbeit für jede eigene - zunächst nur eine Kuh - eine Güllekarte. In der zweiten Runde wird mit der Gülle der Acker gedüngt, wobei zwei Güllekarten auf jeden Acker passen. Ein Bauer merkt rasch: Eine Kuh produziert in einem Zyklus genau eine Güllekarte zuviel, drei Karten passen nicht aufs Feld. Der zweite Acker muss her, denn ansonsten gilt: Gülleüberschuss bringt jede Menge Minuspunkte.

Um zwei Äcker richtig auszunutzen, braucht man vier Güllekarten. Eine Kuh schafft aber nicht mehr als drei. Bauern sind klug, weshalb sich jeder zwei Kühe und drei Äcker zulegt. Sechs Güllekarten reichen für drei Äcker. Nix bleibt übrig, der Kreislauf ist optimiert, der Rest ist Routine. Machen Sie nur nicht den Fehler, mehr Kühe oder mehr Äcker anzuschaffen, nur weil es sonst zu langweilig wird. Es ist Ihr Ruin! Glauben Sie mir, ich bin staatlich geprüfter Güllebauer. Halten Sie lieber den Stapel der Güllekarten im Auge, der im Verlauf ständig schrumpfen wird. Ist er aufgebraucht, endet das Spiel. Von diesem Stapel werden Kühe mit Gülle versorgt. Durch Ernten wird aber immer mehr Gülle zu Mais umgewandelt und dem Stapel entzogen. Nur wenn Mais als Zahlungsmittel eingesetzt wird, kommt es als Gülle wieder zurück auf den Stapel. Wozu noch investieren?

Dann kommts aber knüppeldick für dumme Bauern. Gerade gegen Ende kaufen Großbauern teuer ein, müssen sehr viele Maiskolben in den Güllestapel zahlen. Sonst ist das Spiel zu Ende, bevor sie ihre überschüssige Gülle los geworden sind. Da wird gnadenlos überbezahlt, nur damit der Stapel der Güllekarten wieder wächst. Dieser ruinöse Preisanstieg dient einzig und allein dazu, noch einmal an die Reihe zu kommen, damit überschüssige Gülle auf die Äcker kommt. Einen kurzen Augenblick lodert ein Strohfeuer von Spielreiz auf ... aber wirklich nur ganz kurz!
Irgendwann ist dann aber doch Schluss mit lustig. Jede Güllekarte bei den Kühen wird von den Maiskolben auf der Hand abgezogen, ausgebrachte Gülle auf den Äckern zählt zum Glück nix. Wenn es Ihnen wirklich gelungen sein sollte, einen Überschuss zu erzielen, sollten Sie schleunigst Landwirt werden. Da haben Sie Perspektive. Ansonsten lassen Sie lieber die Finger von dieser drögen Landwirtschafterei. Sonst erleben Sie, wie mechanisch und wortkarg GÜLLE, GÜLLE gespielt wird. Sind Bauern wirklich so?

Auftraggeber für dieses Spiel ist der Deutsche Landwirtschaftsverlag. Schlecht ausgedacht von Thomas Fackler - optisch allerdings hervorragend von Ilja Sallacz in Szene gesetzt. Als Bauernfunktionär würd’s mir mächtig stinken, gerade weil das Spiel so steril ist. GÜLLE, GÜLLE spiegelt die Trostlosigkeit des Bauernjobs ganz real wider. Da halte ich es doch lieber mit den Türken, für die hat GÜLLE, GÜLLE eine handfeste Bedeutung: Auf Wiedersehen! Das weiß ich übrigens nur, weil ich schon DOLMÄTSCH gespielt habe.

Wolfgang Friebe

GÜLLE, GÜLLE von Thomas Fackler für 3-5 Spieler, DLV-Verlag 2003

Zuerst veröffentlicht in der Fairplay