Freitag, 18. November 2005

+ Key Largo

Die Gangster von Key Largo

Endlich wirkliche Kultur, echtes Kulturgut ... dieser Film von John Huston mit Humphrey Bogart, dem kleinen, dicken, fiesen Edward G. Robinson und der seltsam unberührten Lauren Bacall. So ein richtig schöner Schwarzweißgangsterschinken, die Atmosphäre der Keys ins Filmstudio gebannt. Aber Kultur ist Kultur und bleibt Kultur, besonders wenn die Zeit darüber hinweg gegangen ist. Dann wird Kultur noch stärker, so weit muss es ein Spiel erst bringen. Und wir – im Elfenbeinturm der Schachtelfraktionäre – spielen Kulturgüter. Ein Spiel ist ein Spiel bleibt ein Spiel. Soll doch das Licht des Kulturgutes auf die herabscheinen, die damit Geld verdienen.
Und auf Bruno Faidutti, den Koch aufgewärmten Essens. Was hat der Mann schon alles geschaffen?! Was nicht heißen soll, dass KEY LARGO nicht schmeckt. Diesmal hat er PIRATENBUCHT bzw. PIRATE'S COVE aufgekocht. Auf der Schachtel steht Paul Randles noch an erster Stelle, die Regel relativiert: „Ein Spiel von Mike Selinker und Bruno Faidutti nach einer Idee von Paul Randles.“ So, und wo sind die Würfel? Zum Glück nicht mehr dabei, aber das Glück ist damit nicht automatisch ausgeschaltet.
Wer immer seinen Taucher in tiefes Gewässer geschickt hat, weiß ein Lied davon zu singen, wenn ihm nacheinander zwei Tiefseeungeheuer erschienen sind. Das erste Vieh mit dem Dreizack aufgespießt ... das Zweite zerlegt den Taucher. Ende Gelände! Alles von vorne: In der Bar einen neuen Taucher anwerben, im Laden Gerätschaften kaufen – immer in der Hoffnung, dort alleine aufzutauchen. Zu Dritt ist das meistens kein Problem, aber zu Fünft ist das Timing von Vor- und Nachmittagsaktivität schon wichtig. Je mehr sich in der Bar oder im Laden treffen, desto teurer wird's. Und alles was ins Geld geht, fehlt einem am Ende. Mit dem neuen Taucher geht's wieder los. Schätze vom Grund der See holen, verhökern – Geld verdienen!
Im seichten Wasser lauern keine Ungeheuer, dafür sind die Schätze auch nur wenig wert. Mit einem Zusatzschlauch geht es schon tiefer hinab, richtig lukrativ ist die Tiefsee. Dafür braucht man aber auch zwei Zusatzschläuche, und am besten man taucht mit mindestens zwei Tauchern. Von wegen der Seeungeheuer. Zwei Dreizacke stechen besser. Und gleich noch mit Gewichten, die tauscht man am Grund der See gegen zwei Schatzkarten.
Hat sich jeder für geheim für zwei Aktionen entschieden, schippern die Yachten los. Die sind ja sowas von seetauglich ... gekentert „stehen“ sie besser, aufrecht schwimmen sie nicht! Manchmal ist die Zugabfolge absehbar. Gerade Anfänger gehen erst einkaufen, dann tauchen, dann verkaufen, dann einkaufen ... besser man spielt antizyklisch. Versucht es zumindest, denn vor Gleichdenk à la „Ich denke, dass du denkst, dass die denken, dass ...“ ist niemand gefeit. Wenn ein Bruder im Geiste mitspielt, wird es die anderen freuen.
Ich lache mir gerne den Taschendieb aus der Bar an, der bei den Mitspielern fischt. Besonders interessant sind Schatzkarten, die schon länger unverkäuflich sind. Das sind Karten mit Diamanten, die zwar besonders wertvoll sind, aber nicht verkauft werden können und mit denen man möglichst unauffällig agiert. Immer schön ein paar Karten mit gleicher Rückseite bereit halten, damit Taschendiebe eine große Auswahl haben und nicht zwangsläufig Diamanten abgreifen. Verloren gegangene Steinchen liegen einem sonst schwer im Magen.
In der Grundversion scheint die Delphinbucht als sichere Anlaufstelle fürs Geldverdienen wenig lukrativ zu sein. Da gibt es für alle Kohle, aber eben weniger als sich beim Tauchen verdienen lässt. Optional lässt sich die Delphinbucht mit Ereigniskarten aufwerten, die einem meistens Vorteile verschaffen. Aber der Glücksfaktor nimmt noch mehr zu, einige Karten haben es in sich. Ich bevorzuge deshalb die Grundversion und mindestens zu Viert, besser zu Fünft. Da kommt man sich am meisten in die Quere, hat den meisten Spaß. Auch die, die nicht so oft spielen. Ottonormalspieler kommt mit diesem Spiel gut klar, trotz des Gewusels mit vielen Kartenstapeln. Und wer genau beobachtet, kann auch gegen die Strömung gut Geld machen. Was will man mehr? Vielleicht doch einen besseren Spielplan, der nicht nur optisch einen guten Eindruck macht. Aber vielleicht sind die vier großen Puzzleteile extra so wellig wie der Ozean vor Key Largo. Immerhin ist er vierfarbig und nicht nur schwarzweiß. Die Studioatmosphäre bleibt allerdings ...

Wolfgang Friebe

KEY LARGO nach der Idee von Paul Randles, aufgekocht von Mike Selinker und Bruno Faidutti für (3) 4-5 Personen, Tilsit 2005, Spielejahrgang 2005/2006


Zuerst veröffentlicht in der Fairplay

+ Wir sind schwanger

Wo jeder gerne mitredet


Ich darf's nicht verschweigen. Auf keinen Fall! Es muss raus, gleich vorne weg - das absolute k.o-Argument gegen dieses Spiel. Wer spielt sich schon gerne um Kopf und Kragen? Tritt gerne so richtig ins Fettnäpfchen? Also hier die Warnung, besonders wenn man mit Paaren spielt, die auf die Vierzig zugehen: Unerfüllter Kinderwunsch killt das Spiel – definitiv und unwiedergutmachbar. Mit dem Spiel könnten Sie einiges Porzellan zerschlagen und unbeabsichtigt Wunden aufreißen. Falls sich so ein Paar bei Ihnen nicht findet, probieren Sie WIR SIND SCHWANGER. Nur das Spiel – Sie müssen sich nicht auf Jahre ein Kind ans Bein binden. Wir wollen ja nichts überstürzen, aber ein paar Gedanken an den Vornamen von Tochter oder Sohn kann man ruhig mal verschwenden. In Ihrem Umfeld macht man sich sowieso schon so seine Gedanken. Und ein Namenslexikon brauchen Sie demnächst auch nicht mehr, nur noch die dicke blaue Spieleschachtel.
Und Sie heißen nicht zufällig Ottovordemgenschenfelde? Nicht Otto vor dem Genschenfelde – schon zusammen und als Nachnahme gemeint. So was gibt's tatsächlich, besonders häufig in Ostwestfalen, einen auch am Amigo-Stand in Essen. Welchen Vornamen Herr Ottovordemgenschenfelde auch immer wählte, Gelächter und Missverständnisse sind vorprogrammiert. Was für ein Glück, dass mir Herr Ottovordemgenschenfelde auf dem Amigo-Stand in Essen das Spiel nicht erklärt hat. Die Amigos wollten sicherlich lautes Gegröle vermeiden und schickten ihren Angestellten in andere Bereiche.
Eigentlich geht's ja auch nicht um Nachnamen, denn den kann man sich gar nicht aussuchen. Aber den Vornamen, der gut dazu passt, kann man wenigstens dem eigenen Kind mitgeben. Bei WIR SIND SCHWANGER sind Sie aber nicht wirklich frei in der Namenswahl. Statt Oma, Opa, Freundin, Schwester und sonst wer bestimmen genau zwei Karten über den Vornamen. Sie müssen sich vorab nur für Mädchen oder Junge entscheiden, den Rest übernimmt das Spiel und Ihre Mitspieler.
Steht der Name, haben die Mitspieler das Sagen. Aus 20 Karten wählt jeder genau fünf Karten aus. Auf den Karten stehen so allerhand Nettigkeiten, wie z.B. „Der Vorname klingt spießig. So würde ich meinen Gartenzwerg nennen.“ Bis auf wenige Ausnahmen geht es tatsächlich eher spöttisch zu. Schieben Sie den Namen Ihres Kindes ruhig auf die Karten, es geht hier schließlich um mehr als nur um das Wohl und Wehe ihren zukünftigen Kindes. Es geht um Punkte, die es nur dann gibt, wenn man mit ein paar Mitspielern Übereinstimmungen hat bei der Auswahl der Karten. Mit ein paar Mitspielern ... nicht mit allen und auch nicht mit keinem. Das gesunde Mittelmaß zählt. Also wählen Sie sorgsam die Karten aus.
Bei aller Taktik ist auch noch genügend Witz im Spiel, weil irgend ein Depp garantiert die Karte „So könnte auch eine Damenbinde oder ein Möbelstück heißen.“ als erster auslegt, und alle anderen die gleiche Karte nur für diesen Anlass auf die Hand genommen haben. Es ist ja auch so schön naheliegend ... Für jede Übereinstimmung gibt's einen Punkt, wer keine oder die totale Übereinstimmung erzielt, muss wieder einen Punkt abgeben. Wie bei BOHNANZA wird dafür einfach die Kartenrückseite verwendet. Wenn Männer mitspielen, ist die Karte „Rufen“ nie verkehrt: „Einen Vornamen muss man auch rufen können, diesen kann man sogar brüllen.“ Und Männer können so ziemlich jeden Vornamen brüllen.
In der Schachtel sind 130 Vornamenkarten mit jeweils 10 Mädchen- und 10 Jungennamen. Schön sind auch einige „Spezialkarten“ mit gängigen Vornamen aus dem Ausland oder mit hiesigen Vornamen aus bestimmten Jahrzehnten. Die passen erstaunlich gut in ihre Zeit. Der Kartenvorrat reicht lange, um auch mit völlig abgedrehten Namen zu spielen. Ich sage nur „Waldbot“, dieser Vorname passt auch zu Ottovordemgenschenfelde.
WIR SIND SCHWANGER spielt sich naturgemäß besonders gut mit Frauen, die sind für diese Art Spiel viel aufgeschlossener. Warum ist eigentlich ein Mann auf dieses Spiel gekommen? Hat Uwe Rosenberg gar überproportional viele weibliche Gene in seinem Erbgut?

Wolfgang Friebe

WIR SIND SCHWANGER von Uwe Rosenberg für 3-7 Personen, Amigo 2005, Spielejahrgang 2004/2005

Zuerst veröffentlicht in der Fairplay