Dienstag, 15. Juni 2004

+ Quizz Bluff


Isch binn ein ’eld!

Ja, wirklich! Für unsere Leser ist mir keine Mühe, kein Hindernis zu groß. Es ist ja nun wirklich nicht so, dass ich Kritiken nur zum eigenen Vergnügen schreiben. Sie dürfen ruhig sagen: „Danke, Wolfgang!“ Ich will das hören. Mit ganz viel Unterstützung wird mein Kampf gegen diese Regel doch noch erträglich: „Diese Version des Spiels eignet sich für den Alltag, oder sogar den Luxus. Deshalb ist das Material ästhetisch: die elektronischen Geräte sind farbig und die Würfel durchscheinendgrün. Die kleine Gürteltasche erlaubt es Ihnen, überall zu spielen (außer die Sichtschutzgestelle treten darin alle Komponenten des Spiels ein.).“ Leider hatte ich nicht die Möglichkeit, die französische Originalregel zu lesen. Kann kaum Französisch, in der Schachtel war nur die Übersetzung und im Internet gibt’s auch nix.
So, jetzt wissen Sie, was zum Spiel gehört: Geräte, grüne Würfel, Gürteltasche, Sichtschutz. Aber wie funktioniert‘s? Ich sag‘ nur: Finger weg! ... von den Timern, nix drücken, sonst fangen die Geräte an zu piepsen. Also Finger ruhig und die Frage ermittelt. Vier Würfel werfen und eine Frage von 1111 bis 6666 auswürfeln, z.B. Frage 2456. Zu jeder Frage stehen fünf Begriffe im Regelheftchen, zwei Fragen stehen codiert daneben: A oder B mit der zugehörigen Fragenummer. Haben Sie anhand der Nummer die Frage nachgeschlagen, die fünf Begriffe notiert? Machen Sie’s, und immer noch Finger weg von den Tasten! Hier kommt die Frage: „Ordnen Sie vom Fettesten zum wenigsten Fetten.“ Und jetzt alle zugleich: Drei, Vier und ON drücken, dann die Ziffern in passender Reihenfolge in den Timer eingeben und schnell VAL drücken.
Wie, so schnell sind Sie nicht mitgekommen? Ich kann Sie gut verstehen, denn das Heftchen muss gründlich durchsucht werden, nach den Begriffen und der zugehörigen Frage. Das ist bei diesem Ddrittklassigen Copyshop-Produkt auch gar nicht so einfach. Außerdem muss jeder noch seinen persönlichen Druckpunkt auf der Folientastatur finden und die Begriffe auf die Notizfläche des Timers schreiben. Keine Sorge, geht eigentlich prima wieder davon herunter, wenn man sorgfältig radiert. Ein bisschen Schmier bleibt aber ...
Wenn Sie’s jetzt immer noch nicht verstanden haben, mach‘ ich’s kurz. QUIZZ-BLUFF ist quasi die Eingangsfrage von WER WIRD MILLIONÄR. Sie haben alles, was dazu gehört, sogar einen Begriff mehr, dafür aber keinen Günter Jauch. Lassen Sie sich nicht zu viel Zeit, Sie müssen die Reihenfolge möglichst schnell ins Gerät eintippen. Sobald Sie VAL gedrückt haben, stoppt das Gerät Ihre Zeit. Wer jetzt richtig liegt und am schnellsten war, darf auf den Stuhl ... So dann doch nicht! Es folgen drei Pokerrunden ums Sitzenbleiben – mit und um Spielgeld! Wie soll man mit Spielgeld pokern? Erstens hat man genug davon, zweitens bringt nur echte Kohle den Kick.
In der ersten Runde müssen Sie ins Blaue bieten. Sie wissen weder die Zeiten der Mitspieler, noch, ob Ihre Reihenfolge richtiger als die Ihrer Mitspieler ist. Sie sollten schon von Ihrer Antwort überzeugt sein oder gut bluffen können. Wer dabei bleibt und Spielgeld gelatzt hat, den erwarten nach der zweiten Runde die Tippzeiten. Jeder weiß jetzt, wer wie schnell gewesen ist. Wer jetzt mit irgendwem dieselbe Reihenfolge eingetippt haben sollte, aber langsamer war, kann getrost aufhören. Schnelligkeit siegt, wie beim Fernseh-Vorbild. Sind noch mindestens zwei Zocker im Spiel, folgt die letzte Poker-Runde. Dann schlägt die Stunde der Wahrheit, die Reihenfolge wird offenbart und mit der aus dem Heftchen verglichen. Steigt vorher wer aus? Kaum, ist ja doch nur Spielgeld.
Der Autor J.-Claude M. GanteilleEs wird gezockt - bis zum Erbrechen! Das killt das Spiel ... obwohl der elektronische Teil mit Timer und Speicher ganz gut umgesetzt ist. Und wären die Fragen nicht so kryptisch ins kopierte Heftchen verfrachtet worden, sondern fein säuberlich auf Karten gedruckt, wäre QUIZZ BLUFF sogar richtig gut spielbar. QUIZZ BLUFF meets LINE UP (von Jumbo), das wär’s gewesen. Natürlich wird dann um echtes Geld gespielt. Fangen wir klein an: 10 Cent pro Erhöhung – macht bis zur dritten Runde schon den einen oder anderen Euro. Und die Bauchtasche ist dann auch zu mehr gut, als nur das Spielmaterial aufzunehmen. Darin wird die Kohle abtransportiert.

Wolfgang Friebe

QUIZZ BLUFF von J.-Claude M. Ganteille für 2-6 Personen, Ouvea France, (diese Site war allerdings tot, als ich diese Kritik geschrieben habe, www.allwhois.com weiß auch keinen Rat)


Zuerst veröffentlicht in der Fairplay

Montag, 23. Februar 2004

+ Gülle Gülle

Bauernalltag

Dieses Spiel stinkt nicht, weder leicht säuerlich noch stechend. GÜLLE, GÜLLE bleibt geruchlos. Ein guter Landwirt merkt nichts vom Gestank, wenn seine Gülle aus dem Fass spritzt. Wofür gibt es vollklimatisierte Treckerkabinen? Nur ein Tropfen Gülle in die Schachtel, und das Spiel wäre authentisch. So zeigt sich der bäuerliche Alltag von seiner geruchlosen, aber um so eintönigeren Seite. Runde um Runde versteigern, Acker umbrechen, versteigern, Gülle aufbringen, versteigern, Mais ernten ... Nach drei Runden beginnt die Schose von vorn. Jedes Tagwerk beginnt mit der Auktion der obersten Karte: Kuh oder Acker. Bezahlt wird mit Maiskolben. Geld kennen unsere Bauern sowieso nicht, allerhöchstens klagen sie darüber, keines zu haben. Der Tauschhandel lebt fort ...

Zurück zu bäuerlicher Wirklichkeit. Mit nur vier Maiskarten startet jeder Landwirt, davon ersteigert man einen Acker und dann erst eine Kuh, umgekehrt geht’s natürlich auch, ist aber nicht ganz so gut. Die Kuh produziert Runde um Runde Gülle, die man ohne Acker nicht unterpflügen und deshalb stapeln muss. Mit Acker und Kuh wäre die Ertragssituation schon fast perfekt. In der ersten Runde pflügt man den Acker und nimmt nach getaner Arbeit für jede eigene - zunächst nur eine Kuh - eine Güllekarte. In der zweiten Runde wird mit der Gülle der Acker gedüngt, wobei zwei Güllekarten auf jeden Acker passen. Ein Bauer merkt rasch: Eine Kuh produziert in einem Zyklus genau eine Güllekarte zuviel, drei Karten passen nicht aufs Feld. Der zweite Acker muss her, denn ansonsten gilt: Gülleüberschuss bringt jede Menge Minuspunkte.

Um zwei Äcker richtig auszunutzen, braucht man vier Güllekarten. Eine Kuh schafft aber nicht mehr als drei. Bauern sind klug, weshalb sich jeder zwei Kühe und drei Äcker zulegt. Sechs Güllekarten reichen für drei Äcker. Nix bleibt übrig, der Kreislauf ist optimiert, der Rest ist Routine. Machen Sie nur nicht den Fehler, mehr Kühe oder mehr Äcker anzuschaffen, nur weil es sonst zu langweilig wird. Es ist Ihr Ruin! Glauben Sie mir, ich bin staatlich geprüfter Güllebauer. Halten Sie lieber den Stapel der Güllekarten im Auge, der im Verlauf ständig schrumpfen wird. Ist er aufgebraucht, endet das Spiel. Von diesem Stapel werden Kühe mit Gülle versorgt. Durch Ernten wird aber immer mehr Gülle zu Mais umgewandelt und dem Stapel entzogen. Nur wenn Mais als Zahlungsmittel eingesetzt wird, kommt es als Gülle wieder zurück auf den Stapel. Wozu noch investieren?

Dann kommts aber knüppeldick für dumme Bauern. Gerade gegen Ende kaufen Großbauern teuer ein, müssen sehr viele Maiskolben in den Güllestapel zahlen. Sonst ist das Spiel zu Ende, bevor sie ihre überschüssige Gülle los geworden sind. Da wird gnadenlos überbezahlt, nur damit der Stapel der Güllekarten wieder wächst. Dieser ruinöse Preisanstieg dient einzig und allein dazu, noch einmal an die Reihe zu kommen, damit überschüssige Gülle auf die Äcker kommt. Einen kurzen Augenblick lodert ein Strohfeuer von Spielreiz auf ... aber wirklich nur ganz kurz!
Irgendwann ist dann aber doch Schluss mit lustig. Jede Güllekarte bei den Kühen wird von den Maiskolben auf der Hand abgezogen, ausgebrachte Gülle auf den Äckern zählt zum Glück nix. Wenn es Ihnen wirklich gelungen sein sollte, einen Überschuss zu erzielen, sollten Sie schleunigst Landwirt werden. Da haben Sie Perspektive. Ansonsten lassen Sie lieber die Finger von dieser drögen Landwirtschafterei. Sonst erleben Sie, wie mechanisch und wortkarg GÜLLE, GÜLLE gespielt wird. Sind Bauern wirklich so?

Auftraggeber für dieses Spiel ist der Deutsche Landwirtschaftsverlag. Schlecht ausgedacht von Thomas Fackler - optisch allerdings hervorragend von Ilja Sallacz in Szene gesetzt. Als Bauernfunktionär würd’s mir mächtig stinken, gerade weil das Spiel so steril ist. GÜLLE, GÜLLE spiegelt die Trostlosigkeit des Bauernjobs ganz real wider. Da halte ich es doch lieber mit den Türken, für die hat GÜLLE, GÜLLE eine handfeste Bedeutung: Auf Wiedersehen! Das weiß ich übrigens nur, weil ich schon DOLMÄTSCH gespielt habe.

Wolfgang Friebe

GÜLLE, GÜLLE von Thomas Fackler für 3-5 Spieler, DLV-Verlag 2003

Zuerst veröffentlicht in der Fairplay