Damals war alles viel übersichtlicher, aber auch viel schwieriger. Wie konnte sich jemand vor 20, 30 Jahren als Spielekritiker etablieren? Ohne eine Kolumne in einer Zeitung? Klar gab es Spielbox und die Altherrenriege der Jury Spiel des Jahres. Und sonst?! Als ich Mitte-Ende der 80er in die Spielewelt eintauchte, wollte ich unverfälschte Meinung lesen und beim Namen genannt bekommen, welche Spiele sich oder so gar nicht lohnen. Ich bin dann 1986 bei einem meiner ersten Essen-Besuche auf die Pöppel-Revue gestoßen, an Fairplay bzw. deren Vorläufer Spielkunde Information hab’ ich damals noch keinen Gedanken verschwendet. Nach und nach entdeckte ich noch mehr Meinungsmacher, die meisten davon sind längst untergegangen. Richtig leid hat es mir um die Pöppel-Revue und ganz besonders um die Rezensionen von Wolf von der Osten-Sacken getan. Der Merz-Verlag hat das Heft einfach eingestellt. Alles andere?! Naja, es reicht noch für ein bisschen Wehmut beim Durchblättern des Altpapiers. Davon trennen kann ich mich aber noch nicht.
Heute ist ja alles anders und zum Drucker muss auch niemand mehr gehen. Also zu einem richtig echten Drucker mit Druckmaschine … Jeder kann einen Blog eröffnen, sich auf diversen Webseiten als Kritiker versuchen, in den Schwarm eintauchen. Alles kein Problem. Aber blüht deshalb auch gleich die Meinungsvielfalt? Ja und nein. Es gibt auf jeden Fall mehr Meinung, nur leider allzu oft ähnlich gelagert, meistens aus dem Blickwinkel von uns Vielspielern für andere Vielspieler. Ist das schlecht? Es bleibt halt alles unter der Glocke, wahrscheinlich weil es draußen gar nicht so viele Menschen gibt, die sich so intensiv mit Spielen auseinandersetzen wie wir … und Spiele erst gar nicht so wichtig nehmen wie wir, gar nicht erst die Leidenschaft spüren.
Und dann wird doch mancher von seiner Leidenschaft überrannt. Die Distanz zu Spielen, Verlagen oder Autoren geht verloren. Wer wundert sich dann noch, dass nichts anderes als anbiedernde Bewunderung heraus kommt. Niemand muss immer das Haar in der Suppe finden, sich mit Verrissen hervortun, aber wie ein (bezahlter) Fashion-Blogger alles zu bejubeln, womöglich Promotion als Meinung unterzujubeln, muss auch nicht sein.