Für mich war er ein eigenwilliger, aber sehr besonderer Leuchtturm der Szene. Er wird mir als Gesprächspartner fehlen.
Ein Nachruf erscheint in der Fairplay 117.
Gemischtwarenladen oder Spielekonzern?

In Essen wird direkt verkauft und auch verramscht. Dazu wurde letztes Jahr jede freie Fläche in der Halle 9 genutzt. Wenn man in die Halle herunter geht, links neben der Treppe, liegt das Logistikzentrum der Heidelberger. Ich war einmal drin. Bei den Mengen an Spielen dort, muss deren Lager zu Hause leer sein, so leer, dass sich keine Maus mehr darin verstecken kann. Mit wie vielen LKW haben die das alles nach Essen geschafft? Alles wird verkauft, alles muss raus, selbst die die skandinavische Ausgabe von KÄSE MÄUSE CHAOS. Aber die Stände in Essen sind nur eine Facette der Heidelberger, Geschäfte laufen auf allen Ebenen, zumal neben den Verkaufsständen auch noch Verlagsstände für eigene Neuheiten in Essen stehen. Man könnte trotzdem meinen, die Hälfte der Halle 9 gehörte 2008 den Heidelbergern.
Aber als Idealist hat er mal angefangen. Damals, vor ewigen Zeiten – im Team mit Gutbrod und Kröhn ... als Harald Bilz noch Co-Autor war. Was waren das für Spiele? Ich erinnere mich noch gerne an das originelle PFUSCH, bei dem Knete eine große Rolle spielte. Richtige Knete, in der entweder Holzklötzchen waren oder nicht, gepfuscht wurde oder eben nicht. Ein Spiel mit hintergründigem Witz. Ob die Knete wohl schon eingetrocknet ist? Oder TOURISTEN-NEPP, ein eher schräges Spiel, bei dem die Macher sicherlich mehr Spaß am Spielemachen hatten, als alle Spieler beim Spielen. Der gelbe Koffer hat auf jeden Fall wegen seines ausgefallenen Inhalts einen Stammplatz in meiner Sammlung. Oder das total schräge, aber ganz nette NEOLITHIBUMM, bei dem Kieselsteine gestapelt werden müssen. Die Schachtel hat ganz schön Gewicht. Aber diese Zeiten sind vorbei, es geht nicht mehr spinnert zu. Zumal es damals finanziell zeitweilig richtig eng geworden ist.
So entsteht ein „Spielekonzern“ aus Einzelhandel, Großhandel, Distribution und Verlag. Als Einzel- und Großhändler nimmt Heidelberger jedes Spiel in den Verkauf, ist für jeden Einzelhändler erreichbar. Das ergibt die für den Großhandel übliche Marge. „Ist nicht arg viel, da wird man nicht reich von.“ Sehr viel intensiver ist der Einsatz für die Verlage, die von den Heidelbergern vertrieben werden oder für deren deutsche Teilauflage sie sorgen. Hier arbeitet Heidelberger auch als Redaktion und Pressestelle, bringt sich für die Verlage ein, redet aber auch beim Programm mit. Alea-Spiele laufen über Heidelberger, aber auch Truant, Ulisses, Moskito … So eine enge Zusammenarbeit erhöht natürlich die Marge. Petra Becker und Harald Bilz wollen ihren Laden, ihr Prämienprogramm für Leser und Nichtraucher schließlich am Laufen halten.
Und dann gibt es ja noch den Heidelberger Spieleverlag und die Co-Produktionen. Mal produziert Heidelberger, und die Partner-Verlage aus dem Ausland kaufen die Spiele oder auch umgekehrt. Oder die Heidelberger geben Lizenzen und die ausländischen Partner produzieren selbst. Oder Heidelberger übernimmt komplett die deutsche Ausgabe. Da sind alle möglichen Mischformen denkbar, je nachdem wie gut und wie eng man mit den in- und ausländischen Verlagen zusammen arbeiten kann. Fantasy Flight ist hier ein großer Partner. Das ist sicher auch eine Frage der Chemie, aber Harald Bilz hat ja alle lieb, das wissen wir ja schon. Für diese Co-Produktionen ist Harald Bilz immer auf der Suche nach neuen interessanten Spielen. In Essen hält er danach Ausschau, dort werden die ersten Kontakte angebahnt und wird auch mal über den Tellerrand geschaut. Was gibt es in anderen Bereichen, was wird woanders so „gespielt“? Nicht nur mit Brett und Karten?
Deshalb ist die Bandbreite der Heidelberger Spiele so groß. Vom mehrstündigen Strategiekracher bis zum Party-Spiel für größte Spielegruppen, der Katalog ist vielfältig und bunt. Man ist breit aufgestellt. Das kann sich der Verlag offensichtlich gut leisten, weiß doch Harald Bilz aus seiner prähistorischen Vergangenheit, was Selbstbeschränkung bedeutet.
Würden Sie gerne bei den Heidelbergern arbeiten, damit aus dem Gemischtwarenladen ein Konzern wird? Ich kenne Sie, Sie wollen doch nur die Prämien kassieren. Bücher lesen Sie sowieso und rauchen tun Sie auch nicht. Aber Sie sollten Spiele auch als Ware sehen, dann dürfen Sie bei den Heidelbergern in die Lehre gehen.
Wolfgang Friebe
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