Donnerstag, 15. Oktober 2009

+ Finca

Auf der Suche nach Originalität

(wf) Herr Dr. Pünschke ...
(pün) Professor, und bitte Pünschge, mit weichem „Geh“ ...
(wf) Herr Prof. Pünschge, haben Sie einen Augenblick Zeit? Nicht für eines Ihrer Logikrätsel, die sind mir immer noch zu anstrengend. Vielleicht machen Sie mal Ihren Kopf frei ... und kommen mal raus aus Ihrer Schachtel. Ihre Haare dürfen ruhig so bleiben, Sie müssen sich nicht extra frisch machen.
(pün) Und was wollen Sie jetzt von mir?
(wf) Schauen Sie, das ist FINCA, wie wär's mit einer kleinen Analyse und ... Wie originell ist FINCA?
(pün) An meinen Maßstäben gemessen bestimmt nicht sehr. Aber es lässt sich ja wirklich gut in die einzelnen Mechanismen zerlegen. Das geht bei jeder guten Maschine. Ich will da gleich mit dem Rondell anfangen. Das verrät schon einiges über die Originalität, denn mein Kollege – der Herr Mac Gerdts – hat es Ihnen allen so richtig ans Herz gelegt. Dass es hier genutzt wird, um die Zugweite der Figuren und die Art des Ertrages zu bestimmen, ist nur eine Abwandlung. Viel interessanter ist, dass das Rondell weiter entwickelt wurde, dass es variabel ist. Die Reihenfolge der Felder ist nicht fix, das ist interessant, macht jedes Spiel anders. Das haben sich die beiden Autoren gut überlegt ... wo sind die noch weg?
(wf) Aus einer Stadt in Ostwestfalen ... Komme gerade auch nicht drauf.
(pün) Ach egal, kann mich eh' nur an Ralf zur Linde erinnern, der ja vor Jahren Spiele wie ...
(wf) MARINO, TAHITI und ZANKAPFEL
(pün) ... erfunden hat. Alle längst vergessen, aber immer war auch wie jetzt ein Co-Autor mit dabei.
(wf) Ist auch egal, ist viel zu lange her. Wolfgang Sentker ist ja in der Bielefelder Spielwiese aktiv und langjähriger Intensivspieler ...
(pün) Wirklich, das merkt man FINCA durchaus an, dass da engagierte Autoren am Werk waren. Die kennen anscheinend wirklich eine ganze Menge, denn sonst hätten sie nicht Rosinen für ihr Spiel heraus gepickt.
(wf) Aber wir sind ja noch längst nicht durch ... mit den einzelnen Mechanismen ...
(pün) Genau, denn die Früchte, die man auf dem Rondell einsammelt, müssen ja irgendwo hin. Deshalb sind auf dem Plan Plättchenhäufchen. Wenn man genau die gewünschten Früchte dort abliefert, gibt es einen bis sechs Punkte. Auch hier setzt klare Mechanik ein. Die obersten Plättchen der zehn Stapel liegen offen, die Nachfrage ändert sich immer, wenn ein Nachfrageplättchen erfüllt wird. Außerdem wird über die Plättchen das Spielende gesteuert. Sind einige Stapel abgebaut ...
(wf) ... und auf das leere Feld eine namensgebende FINCA platziert.
(pün) Alles nur Beiwerk, wollen wir nicht bei der nackten Mechanik bleiben. Je glatter und reibungsloser sie ist, desto besser. So wie bei FINCA. Und jetzt sind wir bei THURN & TAXIS, denn wer als erster ein Plättchen-Set mit eins bis sechs Punkten gesammelt hat, wird mit einem Bonus belohnt. Boni werden auch immer verteilt, wenn ein Stapel leer ist. Dann werden Mehrheiten ermittelt. Wer hat von diesen oder jenen Früchten die meisten? Diese Boni sind schon wertvoll. Dumm, wer nicht darauf achtet.
(wf) Wirklich? Herr Pünschge, das ist doch mehr oder minder zufällig, wer welchen Bonus kassiert ...
(pün) Nur wenn Sie nicht mit mir spielen. Unterschätzen Sie mich nicht, auch wenn mir meine Haare zu Berge stehen. Ich denke eben mit. Auch wer nicht ständig grübelt, sich auf Intuition verlässt oder aus dem Bauch spielt, kann zum Zuge kommen. Aber bitte lassen Sie mich doch endlich zum Höhepunkt kommen.
(wf) Na, Herr Professor ...
(pün) Der ist geradezu perfide, richtig sozialistisch, vielleicht sogar schlimmer ...
(wf) Nein!
(pün) Doch! Das ich sowas noch erleben darf. Sozialismus pur. Mein geschätzter Kollege, Herr Dr. honoris catanis Teuber hat sich nicht so weit getraut. Zur Revolution auf CATAN hat er keinen Mumm. Wenn auf CATAN nicht genügend Rohstoffkarten für alle da sind, bekommt keiner was. Bei FINCA auf Mallorca ist das anders. Wenn einer nichts abbekommt, müssen alle abgeben. Bis zur letzten Frucht, dann wird wieder verteilt – an die berechtigten Hartz-IV-Empfänger. Das nenne ich originell – aber, um bei der Wahrheit zu bleiben – das ist ärgerlich für alle, die viel haben. Deshalb ist ja der Sozialismus so unbeliebt, spielt beim Spielen so gut wie keine Rolle. Was soll man rackern, wenn man's doch wieder abgeben muss, nur weil ein Tropf auch noch was davon abhaben will.
(wf) Ist das nun gut oder schlecht?
(pün) Im Spiel oder im Leben?
(wf) Im Spiel ...
(pün) ... ist das schon toll. Ob diese beiden Autoren aus ... wie hieß deren Heimatstadt noch? ... wohl bei den Linken sind? Oder Hartz-IV-Empfänger. Nee... Diese Regel gilt auch für Eselskarren. Die sind ebenso notwendig wie die Früchte. Nur per Eselskarre darf man die mühsam gesammelten Früchte ausliefern. Und immer wenn man zur Hälfte ums Rondell rund ist, bekommt man eine. Und wenn keine mehr im Vorrat ist ... Hoch die internationale Solidarität aller Eselskarren dieser Welt! Der Sozialismus schlägt wieder zu ...
(wf) Psst, nicht so laut, der Verlag kommt schließlich aus Bayern, der Heimstadt aller Sozialistenfresser und nur weniger Hartz-IV-Empfänger.
(pün) Ach so, die sind wohl katholisch, deshalb ist das Spiel wohl auch so bunt und so opulent. Allein die Früchte, da möchte ich schon reinbeißen. Haben sie nicht zufällig einen Nussknacker für die Mandeln oder Knoblauchöl für die Oliven?
(wf) Herr Pünschge, das gibt nur Fettflecken auf dem Spiel ...
(pün) Wen stört's?!
(wf) Haben wir's jetzt?
(pün) Fast, aber denken Sie an die Aktionsplättchen.
(wf) An was?
(pün) Wusst' ich's doch. Auch Sie denken nicht an die zusätzlichen Optionen. Ist ja auch gar nicht schlimm, denn jedes unbenutzte Aktionsplättchen ist ja zwei Punkte wert. Aber damit lässt sich das Geschehen auf dem Rondell schön aufmischen. Mit Doppelzügen, Extra-Zügen ...
(wf) Hab' ich so gar nicht auf dem Schirm ...
(pün) Sollten Sie aber, aber immer schön nachrechnen, ob sich der Einsatz auch wirklich bezahlt macht. Kein Wunder, dass Sie das übersehen, ist nix für Leute, die aus dem Bauch spielen.
(wf) Ach, deshalb gewinne ich FINCA nie.
(pün) Und? Frustet Sie das?
(wf) Nein, denn das kann sich ja schon beim nächsten Mal ändern. Die Chancen für Bauchspieler stehen nicht schlecht.

Wolfgang Friebe

FINCA von Ralf zur Linde und Wolfgang Sentker für 2 bis 4 Personen, Hans im Glück 2009, nominiert für das Spiel des Jahres 2009

p.s.: Wer etwas mehr über Ralf zur Linde erfahren will, kann ihn hören unter www.crystalairs.de


Fragen an Wolfgang Sentker und Ralf zur Linde

Wie ist es zum Thema Mallorca, Früchte, Eselskarren gekommen?
Als aller erstes hat der Name FINCA existiert, ohne Zuordnung zu einer bestimmten Gegend. Da Ralf allerdings selber eine FINCA auf Malle sein eigen nennt, lag es fast nahe, daß wir auch dort das Spielgeschehen ansiedeln. Sehr schnell war uns klar, dass wir nicht das Ballermann-Klischee bedienen wollten und so sollte es etwas Inseltypisches sein, und das sind, natürlich klar, die Südfrüchte. Da nach der Ernte die Früchte auch irgendwie auf die Märkte kommen müssen, mußte ein Transportmittel her. Auf dem Cover des Spieles sieht man noch ein 3-rädriges 50iger Jahre Vehikel, das sollte es erst sein. Später kam aber die Idee, es noch klassischer zu machen, und einen guten alten Esel vor den Karren zu spannen.

Wie ist die Regel mit der Gleichmacherei entstanden, wenn jemand eine Frucht bekommt, aber keine mehr im Vorrat ist?
Nenn´ es einfach eine Portion "Ärgerpotenzial", da so bei FINCA alle Mitspieler gleichsam ins Spielgeschehen eingebunden sind. So sollte jeder immer gezwungen sein, die Sammlungen der Mitspieler im Auge zu behalten, um dann gegebenenfalls bei knapper werdenden Früchten reagieren zu können. Derjenige, der wenig oder gar nichts von einer Sorte hat, hat sicherlich ein großes Interesse daran, den Mitspielern ihre Pläne zunichte zu machen.

Warum ist das Spiel zu Hans im Glück gegangen?
Auf der Spielwarenmesse in Nürnberg hatte ich 2008 zwei Prototypen dabei, die Hans im Glück und Goldsieber bekommen haben. Da wir bis zum Autorentreffen in Göttingen in dem Jahr noch nicht gehört hatten, haben wir dort unser Glück versucht (HIG war informiert). Aufgrund des großen (und sehr konkreten) Interesses von mehreren Verlagen, sollte unmittelbar nach Göttingen eine Entscheidung fallen. Da Hans im Glück das Spiel faktisch am längsten hatte, haben wir uns dann für das Team rund um Bernd Brunnhofer entschieden. Aus heutiger Sicht glauben wir, das es eine gute Entscheidung war, denn es war eine sehr gute Zusammenarbeit, bei der viele unserer Wünsche Berücksichtigung fanden.

Zuerst veröffentlicht in der Fairplay

1 Kommentar:

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