Sonntag, 24. September 2006

+ Kleopatra und die Baumeister


Liveticker einer Partie

22:25
Server Unavailable.
22:24
Damit verabschiedet sich der Rezensent von der ersten Live-Berichterstattung. Auf Wiedersehen. Der Rezensent trägt jetzt immer eine Schutzweste.
22:23
Auch der letzte Mitspieler hat das Spielzimmer des Rezensenten enttäuscht und verärgert verlassen. Der Rezensent fragt sich, ob sie wiederkommen werden. Gibt es nach diesem Fiasko für diese Runde noch eine Zukunft?
22:22:41
Die Mitspieler und der Rezensent versuchen den Anschlag und das Spiel schnellstmöglich zu vergessen.
22:22:40
Der Rezensent öffnet sein Hemd. Die Mitspieler sehen nach, warum es nicht blutet. Der Rezensent trägt eine Schutzweste: „Sponsored by Days of Wonder“
22:22:39
Es fließt kein Blut. Die Mitspieler machen sich Sorgen. War der Obelisk nicht spitz genug?
22:22:38
Die Mitspieler warten weiter auf Blut.
22:22:35
Die Mitspieler warten auf Blut.
22:22:34
Der Rezensent stöhnt weiterhin vor Schmerz.
22:22:30
Mit voller Wucht rammt er aufgebracht dem Rezensenten den spitzen Obelisken in die Brust.
22:22:20
Der Freund des Ausdembauchspielens ist gar nicht tot und greift sich den Obelisken. Der Rezensent fragt sich, warum die Krokodile ihn nicht gefressen haben. Ist er zu zäh, weil schon zu alt?
22:22
Die Stimmung kippt gegen den Rezensenten. Dummerweise verrät er, dass es in einer anderen Runde genauso gelaufen ist. Dem Rezensenten wird vorgeworfen, vorsätzlich und wider besseres Wissen diese Graupe auf diese Spielrunde los gelassen zu haben.
22:13
Endlich ist das Spiel vorüber. Alle sind glücklich! Der Freund des Ausdembauchspielens wird den Krokodilen vorgeworfen. Er hat sich nicht um Korruptionsamulette geschert. Die anderen reden von Blendwerk und gestohlener Zeit.
21:51
Server Unavailable.
21:50
Die Mitspieler gähnen. Der Rezensent stämmt sich gegen die allgemeine Schläfrigkeit und erzählt von diesem großartigen Spiel und dem opulenten Material. Die Mitspieler schenken ihm keinen Glauben mehr. Der Rezensent gerät ins Zweifeln.
21:49
Spannung liegt keine mehr in der Luft.
21:10
Server Unavailable.
21:09
Der nächste Mitspieler denkt über seinen Zug nach ...
21:07
Der nächste Spieler hat bereits vorausgedacht und will seinen Zug schnell durchziehen. Leider kommt er mit dem Handling durcheinander. Welche Karten braucht er für den Thron und welche für den Obelisken? Der Mitspieler stöhnt, es fehlt ihm eine Karte. Übersehen! Er muss neu nachdenken, womit er nach kurzem Ärgern sofort beginnt.
21:06
Der Mitspieler vollendet endlich seinen Zug.
21:04
Der nächste Mitspieler wird aus der Unterhaltung gerissen und denkt ebenfalls über seinen Zug nach. Die anderen fangen an zu maulen, dass KLEOPATRA UND DIE BAUMEISTER ja ein reines Optimierungsspiel mit Null Interaktion sei. Der Freund des Ausdembauchspielens wird ausfällig und redet das Spiel schlecht. Der Rezensent versucht die Wogen zu glätten und weist auf die vielen Optionen hin. Die Spielrunde hält die Optionen für zu kompliziert, wo doch sowieso alles nur von den Karten abhängt.
21:03
Der Mitspieler vollendet auf Drängen des Rezensenten seinen Spielzug und ist unglücklich. Er ist unschlüssig, ob das auch wirklich der beste Zug war und versinkt wieder ins Grübeln.
21:02
Der Mitspieler denkt immer noch nach. Ein anderer Mitspieler erzählt vom Wochenende.
20:59
Der Rezensent entschuldigt sich für die Verzögerung. Ein Mitspieler denkt über seinen Zug nach. Sie haben nichts verpasst.
20:45
Server Unavailable.
20:44
Es geht los. Karten vom Markt holen oder im Steinbruch ein Objekt errichten? Alle rennen zum Markt, es sind viel zu wenig Karten auf der Hand. Was kann man damit machen? Grübeln ... bevor man überhaupt ans Bauen denken kann. Nach jedem Marktbesuch werden die Stände wieder aufgefüllt. Drei Marktstände füllen sich unterschiedlich. Pro Marktstand variiert die Anzahl der Karten – ob aufgedeckt oder nicht. Dem Rezensenten gefällt die Idee mit den zwei Kartenstapeln für den Markt. Ein offener wird mit dem verdeckten Stapel zusammen gemischt. Der Rezensent hält das für eine pfiffige Idee, die Mitspieler pflichten bei.
20:42
Ohne das Spiel zu spielen, halten es die Mitspieler für überfrachtet.
20:35
Viele Nachfragen verzögern den Anfang. Sind alle Resourcenkarten gleich verteilt? Nein. Welche Bedeutung haben die Sonderkarten? Die Mitspieler befragen die Spielhilfe. Was ist mit den Korruptionsamuletten? Wer am Ende die meisten hat, wird von den Krokodilen verspeist und hat verloren. Und warum muss man im Steinbruch nach jeder Bauphase würfeln? Jedes gewürfelte Ankh wird beiseite gelegt. Ist auf allen fünf Würfeln das Symbol zu sehen, wird der Hohepriester mit Geld bestochen. Wer am höchsten bietet, verliert Korruptionsamulette, wer zu wenig bietet, erhält welche dazu. Was ist mit dem Mosaik der Götter? Wer damit eine Fläche auf dem Dach des Palastes eingrenzt, die nicht mehr überbaut werden kann, darf dort eine seiner beiden Statuen platzieren und kann bei Spielende für jedes unbebaute Feld ein Korruptionsamulett abgeben. Gibt es noch mehr Details? Ja, jede Menge. Die Mitspieler stöhnen.
20:30
Es besteht Hoffnung, dass alle die komplizierten Regeln verstanden haben. Wofür man welche Karten braucht, steht auf Spielhilfen. Jeder bekommt eine. Es beginnt eine Diskussion, warum dieses und jenes diese Karten und nicht andere Karten kostet. Die Mitspieler geraten über die vielen unterschiedlichen Karten in Verwirrung. Die Spielgeschichte wirkt aufgesetzt, die Kosten für die Bauabschnitte willkürlich gewählt. Sockel und Thron kosten 3 Handwerker, 2 Marmorplatten und 2 Lapislazuli. Und warum braucht man dafür keine Steinblöcke? Erste Tendenzen, das Spiel abzukanzeln.
20:03
Die Gruppe ist sich einig: Das Plastik sieht billig aus. Der Rezensent hat Mühe die Regel zu erklären.
20:02
Die ersten ketzerischen Äußerungen über die Qualität des Materials.
20:01
Die Mitspieler treffen ein und bewundern voller Ehrfurcht das opulente Material. Es gibt genug Stühle in der Küche. Es kommt zu keinem Gedränge.
20:00
Die Übertragung beginnt. Herzlich willkommen zum ersten Liveticker einer Spielerezension. Es begrüßt Sie am Live-Ticker (heute als Rezensent) Wolfgang Friebe.
19:55
Der Rezensent begutachtet immer noch KLEOPATRA UND DIE BAUMEISTER von Bruno Cathala und Ludovic Maublanc. Die Mitspieler sind noch nicht da. Viel Material ist in der Kiste. Sphinxen, Obelisken, ein Thron samt Podest, Säulenwände und der Türrahmen sind aus Plastik. Die Mosaiken der Götter, die Währung und die Korruptionsamulette sind aus Pappe. Der Schachtelboden wird umgedreht zum Palast. Dem Rezensenten gefällt das Material.
19:40
In wenigen Augenblicken beginnen wir mit der Übertragung.


Zuerst veröffentlicht in der Fairplay

Samstag, 23. September 2006

Rezension: Ave Caesar

Ein Todgeweihter grüßt dich

Sie sind hier nicht im falschen Film, nur in einem der bereits lange läuft. Seit 1989, 17 geschlagene Jahre werden Pferde gepeitscht und Wagenrennen gefahren. Nicht von mir, Gott behüte. Aber es muss tatsächlich wen geben, der es über diesen langen Zeitraum nicht ohne konnte. Seit ebay ist es offenkundig. Aus aller, mehrheitlich aus der fernen Welt, sind Spieler heiß auf dieses Spiel, zahlen teilweise astronomische Preise. Oder muss ich jetzt sagen: zahlten. Denn nach der japanischen gibt es jetzt sogar eine deutsche Neuauflage. Nicht von der viel besseren Fortentwicklung AUSGEBREMST, sondern von dem Urspiel. 17 lange Jahre hat sich Pro Ludo Zeit gelassen. Und in 17 langen Jahren hat sich meine Meinung zu diesem Spiel nicht geändert. Auf so viel Kontinuität bin ich wirklich stolz. Allerdings habe ich mein AVE CAESAR auch 17 lange Jahre in meiner Sammlung ignoriert. Wie dämlich, denn mir sind ein Haufen Mäuse durch die Lappen gegangen. Neulich habe ich es sogar wieder heraus geholt ... und gespielt? Wo denken Sie hin?! Ich hab's nur mit der aktuellen Neuauflage verglichen. Und mit der neuen Auflage dann doch gespielt. Einfach um zu prüfen, ob ich mir meiner Meinung sicher sein kann.
Die Regel ist nur marginal überarbeitet worden, der übergroße Teil ist wortwörtlich übernommen. Wir sind ja Profis und haben gleich so gespielt, wie wir es gewohnt sind Rennspiele zu spielen: In der Reihenfolge der Positionen, erster zieht zuerst, bei gleicher Höhe hat die Innenbahn Vorrang. Drei Karten hat man, eine darf man ausspielen: Das Gespann ein bis sechs Felder ziehen und möglichst so stehen bleiben, dass man die Mitspieler blockiert oder auf die längere Außenbahn zwingt. Mauern zwischen den einzelnen Bahnen sind dazu sehr hilfreich. Der Führende darf keine „Sechs“ ausspielen. All das – wenige – hatten wir ganz schnell wieder drauf.
Nur wer halbwegs optimal spielt schafft es nach einmaligem Halt in der Boxengasse ins Ziel. So weit die graue Praxis, die bunte Theorie der Regel ließ uns stutzen. Gibt es in der Regel nicht Indizien, die gegen unsere Spielweise sprechen. Eine klare Regelung?! Pustekuchen, die Rennen gehen im Uhrzeigersinn um den Parcours und nach dem ersten Zug „bringen auch die übrigen Mitspieler ihre Gespanne ins Rennen.“ Was heißt das jetzt? Doch in Sitzreihenfolge, damit es mehr Gedränge auf der Bahn gibt? Also in Sitzreihenfolge gespielt ... hat's aber auch nicht rausgehauen, selbst nach 17 Jahren tauchten dieselben fragenden Blicke auf. Ist das wirklich alles? Ist das Altersstarrsinn? Fehlt uns die Jugend, um an das Schöne im Spiel zu glauben?
Pro Ludo hat es doch tatsächlich fertig gebracht, die um ein Feld längere Rennbahn vor der Brücke so uneindeutig zu gestalten, dass wir erst ausdiskutieren mussten, ob das Feld hinter der Brücke weitergeht oder ob es doch zwei Felder sind. Und wie ist das mit dem neuen Wassergraben? Unsere Meinung: Ist nur Optik und ansonsten ignorieren! Genauso wie die Bäume in der Arena. Überhaupt gibt es nur noch zwei Strecken, eine auf der Vorder- und eine auf der Rückseite des Plans. Eine ist optisch anspruchsvoller. Diese Bahn hat aber nur ein Feld mehr als der banale Rundkurs und ebenso viele Engstellen, auf denen ein Gespann alle nachfolgenden ausbremsen kann. Das konnten die Ravensburger besser, immerhin vier verschiedene Bahnen für unterschiedliche Mitspielerzahlen und übersichtlicher Gestaltung zieren den Plan auf Vorder- und Rückseite. Zumal die Gespanne in der Ravensburger Arena tatsächlich in ganzer Länge auf ihren Feldern Platz haben. Und die gleichen Figuren stecken auch in der Neuauflage. Hat die niemand ausgemessen und die Maße an die Grafik gegeben? 17 Jahre haben offensichtlich nicht gereicht, um den Plan nicht doch noch mit heißer Feder zu zeichnen. Und das Cover? Wäre da nicht der hässliche gelbe Balken mit dem Pro Ludo Logo, man könnte es für gelungen halten.
Beim alten AVE CAESAR ging es 17 Jahre um die Optik, beim Neuen auch um den Spielreiz. Wofür macht man sonst eine Neuauflage? Aber wo soll der denn jetzt herkommen, wenn man nichts ändert? Aus der Auswahl unter drei Handkarten? Aus dem Zittern, das Ziel noch zu erreichen? Das Spiel ist so dermaßen banal und absolut nicht mehr mit aktuellen Spielen konkurrenzfähig, dass ich mich frage, wer heute noch zu AVE CAESAR greifen soll? Mein achtjähriger Sohn vielleicht, aber das Spiel ist erst ab 12. Ich habe mich nach drei abgebrochenen Rennen nicht mehr getraut, das Spiel auf den Tisch zu legen. Das nächste Gespann hätte mich sonst niedergetrampelt.

Wolfgang Friebe

AVE CAESAR von Wolfgang Riedesser für 3 bis 6 Personen, Pro Ludo 2006


Zuerst veröffentlicht in der Fairplay

+ Augsburg 1520

Das Spiel, das mich nicht mag

Dann ist ja alles klar. Soll sich dieses junge Ding man ja nicht einbilden, dass es das einzige Spiel sei. Nur weil es aus guter Familie ist, meint es wohl, sich seine Verehrer aussuchen zu können. Wenn es mich als Verehrer nicht will, dann eben nicht. Legen Sie wert auf gute Abstammung? Ist mir doch so was von egal. Wer mich nicht mag, den mag ich auch nicht. So!!! Schuld? ... trage ich keine. Was habe ich nicht alles angestellt?! Alles probiert, immer wieder. Am liebsten würde ich es gleich nochmal spielen, hier und jetzt und mit Ihnen. Was soll ich denn machen? In meinen Spielkreisen kam es nicht wirklich an. Aber okay, ich gebe dem Spiel noch eine Chance. Ich würde sogar meine Mitspieler austauschen: Weg mit den gesättigten Vielspielern, weg mit den unbedarften Familienspielern. Weg mit meinem kommunikativen Damenkränzchen. Sind Sie jetzt mein Mitspieler oder nicht!? Sie sind also definitiv männlich und Ihr Verlangen nach jungen ... Spielen ist ungebrochen?


Nicht nur die Vielspieler stören sich am Aufbau, an dem ganzen Brimborium am Anfang. Hier ein Stäpelchen mit diesen Plättchen, dort ein Stapel mit soundsoviel Plättchen für soundsoviel Mitspieler. Und hier eine Sorte Karten, da noch eine andere. Und was liegt dann alles auf dem Spieltisch? Ein Spielplan mit Wertungsleiste, für jeden ein Spielertableau zur Plättchenablage, Stapel hier und Stapel dort. Für Familienspieler bedarf es schon eines gewissen missionarischen Eifers, Profispielern ist das alles doch zu umständlich ... für ein Versteigerungsspiel.


Die Versteigerung ist eigentlich nicht unpfiffig. Die Karten, mit denen man um die Gunst von fünf Adligen pokert, muss man erst kaufen. Geld ist knapp, und wertvolle weil hochwertige Karten sind teuer. Und bekommt man die überhaupt auf die Hand? Nur wenn man sich bestimmte Ämter verschafft und behält, kann man unter einer größeren Kartenzahl wählen. Aber Ämter sind eben nicht alles. Wie so oft sind Ämter und Geld nur das Mittel zum Zweck. In Augsburg spielen ganz andere Dinge eine Rolle, und das sind Titel. Aufstieg äußerte sich damals nicht nur in Geld, sondern maß sich an Adelstiteln – Freiherr, Graf, Fürst. Haben es die Fugger eigentlich so weit gebracht? Adelstitel gleich Siegpunkte, so einfach ist die Formel zum Sieg.


Wenn da nicht das ganze Drumherum wäre. Mit den erkauften Karten muss man erst um Privilegien steigern. Nur wer die wertvollsten oder meisten Karten einem der fünf Fürsten anbieten kann, kommt an Ämter, Einkommen und Adelstitel. Also wird geboten ... oder gepokert. Wer eine hohe passende Karte hat, bietet nur eine Karte. Da spielt die nicht unbegründete Hoffnung eine Rolle, dass alle das Gebot halten und auch genau eine Karte bieten. Niemand wird gezwungen zu überbieten. Die Höhe der Karte zählt. Dumm nur, wenn einer mit seiner einen kleinen Karte das Tor zum „Halten“ ganz weit öffnet. In Augsburg gilt: Wer hinten sitzt, hat mehr vom Pokern. Wer kleine Karten in ausreichender Menge auf der Hand hat, wird das Erstgebot mit Masse – mehr Karten - überbieten. Das muss man, schließlich wird man mit kleinen Karten in der Regel nix. Überhaupt sollte man mitbieten, denn als unterlegener Zweit- und Drittbieter erhält man mit 100 bzw. 50 Gulden aus der Kasse. Diese paar Mäuse sind ein nicht zu verachtendes Zubrot.


Vier von fünf Adligen ist eine Kartenfarbe zugeordnet, nur für Maximilian gelten alle Farben. Wer in den ersten vier Auktionen nicht zum Zuge gekommen ist, kann mit dem wenig wählerischen Maximilian noch sein Glück machen. Allerdings sind zu diesem Zeitpunkt auch schon vier der fünf Privilegienkarten an die Mitspieler verteilt. Wer bei Philipp – dem ersten der Reihe – am besten um seine Gunst pokert, hat die große Auswahl. Also was tun? Karten von Philipp bunkern? Ich würde mein Geld nur in hochwertige Karten gleich welcher Farbe stecken, damit ich nicht bei allen Auktionen leer ausgehe. Oder in teure Joker, damit lässt sich flexibel die Kartenanzahl steigern und ebenso flexibel ein Konkurs herbei führen. Und selbst wer häufig in den Bietrunden leer ausgeht, steht zumindest in den nächsten Runden mit immer mehr Karten da. Da sollte es doch gelingen, an mindestens eine Privilegienkarte zu kommen. Zwei der drei Privilegien pro Karte darf man nutzen: Ämter, Faktoreien, Titel oder manchmal auch nur Bargeld.


Ohne Geldnachschub läuft bei AUGSBURG 1520 fast nichts, man muss auch auf Faktoreien und damit auf mehr Einkommen setzen. Ganz einfach aus dem Grund, dass man auf jeden Fall zweimal seine Gottesfurcht beweisen muss, und die war damals teuer. In die Wertungsleiste sind Barrieren eingebaut. Über 25 Punkte hilft nur eine Kirche, über 45 Punkte nur ein Dom hinweg. Selbst wenn man viele Siegpunkte aufgrund von Adelstiteln macht, so bleibt einem der Zutritt zu höheren Weihen verwehrt. Natürlich ist es für den ersten Kirchen- bzw. Domstifter besonders teuer. Der Preis fällt jedoch nach jedem Neubau. Das passt prima ins Spiel und sorgt dafür, dass es eben nicht ein Windhundrennen um die begehrten Adelstitel geben müsste. Gibt es aber doch, weil irgendwann im Spiel einer die Hatz auf die Titel eröffnet. Besonders die Adelsbriefe und Wappen sind lukrativ, denn wer hier zuerst zuschlägt, erhält Runde für Runde die höheren Punkte. Vorausgesetzt Kirche und später der Dom stehen rechtzeitig. Natürlich muss man für ein Wappen einen gräflichen und für den Adelsbrief einen fürstlichen Titel vorweisen ... den man auch den anderen wieder wegschnappen kann und muss.


Aber bitteschön immer aufs eigene Portemonnaie achten. Es haben sich schon viele vollständig bei der Jagd auf Titel verausgabt, ganz einfach, weil sie noch nicht die nötige finanzielle Potenz hatten. Es fehlte einfach an Kohle für die darauf folgenden Kartenkäufe und die beiden Bauprojekte Kirche und Dom. Runde um Runde guckt man dann in die Röhre. Aber wann ist der richtige Zeitpunkt für die Jagd auf Titel und damit Siegpunkte? Wenn man sich mit Gulden vollgesogen hat, sind die anderen längst auf und davon. Sollte man einen Frühstart riskieren, nur um schon weit vor der Zielgerade abgefangen zu werden? Wer mit Siegpunkten davon zieht, wird sicherlich ganz schnell herausragende Ämter und Titel verlieren. Zwischen diesen Polen zu lavieren, erfordert Pokerface, Planung und ein gewisses Maß an Zurückhaltung. Aus irgendeinem Fernsehfilm über einen Geldgeber, der von seinem adligen Schuldner letztlich zugrunde gerichtet worden ist, habe ich das Motto für dieses Spiel: Umkreise den Weinberg, aber betrete ihn nie. So ähnlich ist das mit der vermeintlichen Siegposition. AUGUSBURG 1520 spielt sich am besten aus der Hinterhand, aber es ist so verdammt schwierig, den richtigen Zeitpunkt fürs eigene Vorpreschen einzuschätzen. Zumal einem da schon längst einer zuvor gekommen sein könnte. Deshalb ist viel Frust im Spiel, auch weil nur und ausschließlich die anderen immer so lange überlegen müssen.


Natürlich habe ich diesem Spiel mein Herz geöffnet, ganz ohne Ansehen von Gestalt, Thema und Autor. Wegen des anspruchsvollen Spielgeschehens und der stimmigen Geschichte. Das bin ich dem Verlag schuldig. Ein Spiel von Alea darf kein Vielspieler ignorieren, denn was wäre die Welt der Spiele ohne Alea? Daraus erwächst Verpflichtung ... für beide Seiten. Aber kann sich ein Verlag jedes Jahr selbst übertreffen? Muss Alea das leisten?


Ich hab' sogar die längliche Regel vorab durchgeackert und mehrfach gelesen. Die vielen Details und einige verschlungene Formulierungen haben mir reichlich Mühe abverlangt. Deshalb war sie gleich da, eine erste Ahnung dunkler Wolken. Die Regel ist wie ein Barometer: wichtig für den ersten Eindruck und erste Tendenzen. Der Start in diese Beziehung wird nicht einfach, zumal auch viel, sehr viel von den Mitspielern abhängt. Aber ich habe gekämpft und mich gut vorbereitet, damit meinen Mitspielern die Zeit fürs Regelerklären nicht zu lang wurde. Für alle Wissbegierigen steht am Schluss der Regel nochmal eine Doppelseite mit speziellen Regeln und Hinweisen. Spätestens an dieser Stelle waren die dunklen Wolken nicht mehr nur eine Ahnung.


Ich hab' Stimmung für das Spiel gemacht, an das Gewissen der Vielspieler appelliert. An mir hat es nicht gelegen. Aber wie soll ich auch meine Normalspieler und vor allem -spielerinnen mit diesen Argumenten für ein Spiel begeistern? Für diese Runden zählt nur eines: Ist das Spiel gut oder nicht? Ist es einfach zugänglich oder nicht? Kommt gleich Spannung auf oder nicht? Vielleicht hätte AUGSBURG 1520 eine Chance, wenn man sich in einer lange Ehe aneinander gewöhnt. Heutzutage sind die schnellen Verführer ganz hoch im Kurs ... all die Spiele, die einem genau die Mühe abverlangen, die man mühelos aufbringen kann. Die große Liebe, die auf den ersten Blick funktioniert.

Wolfgang Friebe


AUGSBURG 1520 von Karsten Hartwig für 2-5 Personen, Alea/Ravensburger 2006


Zuerst veröffentlicht in der Fairplay

Freitag, 18. November 2005

+ Key Largo

Die Gangster von Key Largo

Endlich wirkliche Kultur, echtes Kulturgut ... dieser Film von John Huston mit Humphrey Bogart, dem kleinen, dicken, fiesen Edward G. Robinson und der seltsam unberührten Lauren Bacall. So ein richtig schöner Schwarzweißgangsterschinken, die Atmosphäre der Keys ins Filmstudio gebannt. Aber Kultur ist Kultur und bleibt Kultur, besonders wenn die Zeit darüber hinweg gegangen ist. Dann wird Kultur noch stärker, so weit muss es ein Spiel erst bringen. Und wir – im Elfenbeinturm der Schachtelfraktionäre – spielen Kulturgüter. Ein Spiel ist ein Spiel bleibt ein Spiel. Soll doch das Licht des Kulturgutes auf die herabscheinen, die damit Geld verdienen.
Und auf Bruno Faidutti, den Koch aufgewärmten Essens. Was hat der Mann schon alles geschaffen?! Was nicht heißen soll, dass KEY LARGO nicht schmeckt. Diesmal hat er PIRATENBUCHT bzw. PIRATE'S COVE aufgekocht. Auf der Schachtel steht Paul Randles noch an erster Stelle, die Regel relativiert: „Ein Spiel von Mike Selinker und Bruno Faidutti nach einer Idee von Paul Randles.“ So, und wo sind die Würfel? Zum Glück nicht mehr dabei, aber das Glück ist damit nicht automatisch ausgeschaltet.
Wer immer seinen Taucher in tiefes Gewässer geschickt hat, weiß ein Lied davon zu singen, wenn ihm nacheinander zwei Tiefseeungeheuer erschienen sind. Das erste Vieh mit dem Dreizack aufgespießt ... das Zweite zerlegt den Taucher. Ende Gelände! Alles von vorne: In der Bar einen neuen Taucher anwerben, im Laden Gerätschaften kaufen – immer in der Hoffnung, dort alleine aufzutauchen. Zu Dritt ist das meistens kein Problem, aber zu Fünft ist das Timing von Vor- und Nachmittagsaktivität schon wichtig. Je mehr sich in der Bar oder im Laden treffen, desto teurer wird's. Und alles was ins Geld geht, fehlt einem am Ende. Mit dem neuen Taucher geht's wieder los. Schätze vom Grund der See holen, verhökern – Geld verdienen!
Im seichten Wasser lauern keine Ungeheuer, dafür sind die Schätze auch nur wenig wert. Mit einem Zusatzschlauch geht es schon tiefer hinab, richtig lukrativ ist die Tiefsee. Dafür braucht man aber auch zwei Zusatzschläuche, und am besten man taucht mit mindestens zwei Tauchern. Von wegen der Seeungeheuer. Zwei Dreizacke stechen besser. Und gleich noch mit Gewichten, die tauscht man am Grund der See gegen zwei Schatzkarten.
Hat sich jeder für geheim für zwei Aktionen entschieden, schippern die Yachten los. Die sind ja sowas von seetauglich ... gekentert „stehen“ sie besser, aufrecht schwimmen sie nicht! Manchmal ist die Zugabfolge absehbar. Gerade Anfänger gehen erst einkaufen, dann tauchen, dann verkaufen, dann einkaufen ... besser man spielt antizyklisch. Versucht es zumindest, denn vor Gleichdenk à la „Ich denke, dass du denkst, dass die denken, dass ...“ ist niemand gefeit. Wenn ein Bruder im Geiste mitspielt, wird es die anderen freuen.
Ich lache mir gerne den Taschendieb aus der Bar an, der bei den Mitspielern fischt. Besonders interessant sind Schatzkarten, die schon länger unverkäuflich sind. Das sind Karten mit Diamanten, die zwar besonders wertvoll sind, aber nicht verkauft werden können und mit denen man möglichst unauffällig agiert. Immer schön ein paar Karten mit gleicher Rückseite bereit halten, damit Taschendiebe eine große Auswahl haben und nicht zwangsläufig Diamanten abgreifen. Verloren gegangene Steinchen liegen einem sonst schwer im Magen.
In der Grundversion scheint die Delphinbucht als sichere Anlaufstelle fürs Geldverdienen wenig lukrativ zu sein. Da gibt es für alle Kohle, aber eben weniger als sich beim Tauchen verdienen lässt. Optional lässt sich die Delphinbucht mit Ereigniskarten aufwerten, die einem meistens Vorteile verschaffen. Aber der Glücksfaktor nimmt noch mehr zu, einige Karten haben es in sich. Ich bevorzuge deshalb die Grundversion und mindestens zu Viert, besser zu Fünft. Da kommt man sich am meisten in die Quere, hat den meisten Spaß. Auch die, die nicht so oft spielen. Ottonormalspieler kommt mit diesem Spiel gut klar, trotz des Gewusels mit vielen Kartenstapeln. Und wer genau beobachtet, kann auch gegen die Strömung gut Geld machen. Was will man mehr? Vielleicht doch einen besseren Spielplan, der nicht nur optisch einen guten Eindruck macht. Aber vielleicht sind die vier großen Puzzleteile extra so wellig wie der Ozean vor Key Largo. Immerhin ist er vierfarbig und nicht nur schwarzweiß. Die Studioatmosphäre bleibt allerdings ...

Wolfgang Friebe

KEY LARGO nach der Idee von Paul Randles, aufgekocht von Mike Selinker und Bruno Faidutti für (3) 4-5 Personen, Tilsit 2005, Spielejahrgang 2005/2006


Zuerst veröffentlicht in der Fairplay

+ Wir sind schwanger

Wo jeder gerne mitredet


Ich darf's nicht verschweigen. Auf keinen Fall! Es muss raus, gleich vorne weg - das absolute k.o-Argument gegen dieses Spiel. Wer spielt sich schon gerne um Kopf und Kragen? Tritt gerne so richtig ins Fettnäpfchen? Also hier die Warnung, besonders wenn man mit Paaren spielt, die auf die Vierzig zugehen: Unerfüllter Kinderwunsch killt das Spiel – definitiv und unwiedergutmachbar. Mit dem Spiel könnten Sie einiges Porzellan zerschlagen und unbeabsichtigt Wunden aufreißen. Falls sich so ein Paar bei Ihnen nicht findet, probieren Sie WIR SIND SCHWANGER. Nur das Spiel – Sie müssen sich nicht auf Jahre ein Kind ans Bein binden. Wir wollen ja nichts überstürzen, aber ein paar Gedanken an den Vornamen von Tochter oder Sohn kann man ruhig mal verschwenden. In Ihrem Umfeld macht man sich sowieso schon so seine Gedanken. Und ein Namenslexikon brauchen Sie demnächst auch nicht mehr, nur noch die dicke blaue Spieleschachtel.
Und Sie heißen nicht zufällig Ottovordemgenschenfelde? Nicht Otto vor dem Genschenfelde – schon zusammen und als Nachnahme gemeint. So was gibt's tatsächlich, besonders häufig in Ostwestfalen, einen auch am Amigo-Stand in Essen. Welchen Vornamen Herr Ottovordemgenschenfelde auch immer wählte, Gelächter und Missverständnisse sind vorprogrammiert. Was für ein Glück, dass mir Herr Ottovordemgenschenfelde auf dem Amigo-Stand in Essen das Spiel nicht erklärt hat. Die Amigos wollten sicherlich lautes Gegröle vermeiden und schickten ihren Angestellten in andere Bereiche.
Eigentlich geht's ja auch nicht um Nachnamen, denn den kann man sich gar nicht aussuchen. Aber den Vornamen, der gut dazu passt, kann man wenigstens dem eigenen Kind mitgeben. Bei WIR SIND SCHWANGER sind Sie aber nicht wirklich frei in der Namenswahl. Statt Oma, Opa, Freundin, Schwester und sonst wer bestimmen genau zwei Karten über den Vornamen. Sie müssen sich vorab nur für Mädchen oder Junge entscheiden, den Rest übernimmt das Spiel und Ihre Mitspieler.
Steht der Name, haben die Mitspieler das Sagen. Aus 20 Karten wählt jeder genau fünf Karten aus. Auf den Karten stehen so allerhand Nettigkeiten, wie z.B. „Der Vorname klingt spießig. So würde ich meinen Gartenzwerg nennen.“ Bis auf wenige Ausnahmen geht es tatsächlich eher spöttisch zu. Schieben Sie den Namen Ihres Kindes ruhig auf die Karten, es geht hier schließlich um mehr als nur um das Wohl und Wehe ihren zukünftigen Kindes. Es geht um Punkte, die es nur dann gibt, wenn man mit ein paar Mitspielern Übereinstimmungen hat bei der Auswahl der Karten. Mit ein paar Mitspielern ... nicht mit allen und auch nicht mit keinem. Das gesunde Mittelmaß zählt. Also wählen Sie sorgsam die Karten aus.
Bei aller Taktik ist auch noch genügend Witz im Spiel, weil irgend ein Depp garantiert die Karte „So könnte auch eine Damenbinde oder ein Möbelstück heißen.“ als erster auslegt, und alle anderen die gleiche Karte nur für diesen Anlass auf die Hand genommen haben. Es ist ja auch so schön naheliegend ... Für jede Übereinstimmung gibt's einen Punkt, wer keine oder die totale Übereinstimmung erzielt, muss wieder einen Punkt abgeben. Wie bei BOHNANZA wird dafür einfach die Kartenrückseite verwendet. Wenn Männer mitspielen, ist die Karte „Rufen“ nie verkehrt: „Einen Vornamen muss man auch rufen können, diesen kann man sogar brüllen.“ Und Männer können so ziemlich jeden Vornamen brüllen.
In der Schachtel sind 130 Vornamenkarten mit jeweils 10 Mädchen- und 10 Jungennamen. Schön sind auch einige „Spezialkarten“ mit gängigen Vornamen aus dem Ausland oder mit hiesigen Vornamen aus bestimmten Jahrzehnten. Die passen erstaunlich gut in ihre Zeit. Der Kartenvorrat reicht lange, um auch mit völlig abgedrehten Namen zu spielen. Ich sage nur „Waldbot“, dieser Vorname passt auch zu Ottovordemgenschenfelde.
WIR SIND SCHWANGER spielt sich naturgemäß besonders gut mit Frauen, die sind für diese Art Spiel viel aufgeschlossener. Warum ist eigentlich ein Mann auf dieses Spiel gekommen? Hat Uwe Rosenberg gar überproportional viele weibliche Gene in seinem Erbgut?

Wolfgang Friebe

WIR SIND SCHWANGER von Uwe Rosenberg für 3-7 Personen, Amigo 2005, Spielejahrgang 2004/2005

Zuerst veröffentlicht in der Fairplay

Dienstag, 15. Juni 2004

+ Quizz Bluff


Isch binn ein ’eld!

Ja, wirklich! Für unsere Leser ist mir keine Mühe, kein Hindernis zu groß. Es ist ja nun wirklich nicht so, dass ich Kritiken nur zum eigenen Vergnügen schreiben. Sie dürfen ruhig sagen: „Danke, Wolfgang!“ Ich will das hören. Mit ganz viel Unterstützung wird mein Kampf gegen diese Regel doch noch erträglich: „Diese Version des Spiels eignet sich für den Alltag, oder sogar den Luxus. Deshalb ist das Material ästhetisch: die elektronischen Geräte sind farbig und die Würfel durchscheinendgrün. Die kleine Gürteltasche erlaubt es Ihnen, überall zu spielen (außer die Sichtschutzgestelle treten darin alle Komponenten des Spiels ein.).“ Leider hatte ich nicht die Möglichkeit, die französische Originalregel zu lesen. Kann kaum Französisch, in der Schachtel war nur die Übersetzung und im Internet gibt’s auch nix.
So, jetzt wissen Sie, was zum Spiel gehört: Geräte, grüne Würfel, Gürteltasche, Sichtschutz. Aber wie funktioniert‘s? Ich sag‘ nur: Finger weg! ... von den Timern, nix drücken, sonst fangen die Geräte an zu piepsen. Also Finger ruhig und die Frage ermittelt. Vier Würfel werfen und eine Frage von 1111 bis 6666 auswürfeln, z.B. Frage 2456. Zu jeder Frage stehen fünf Begriffe im Regelheftchen, zwei Fragen stehen codiert daneben: A oder B mit der zugehörigen Fragenummer. Haben Sie anhand der Nummer die Frage nachgeschlagen, die fünf Begriffe notiert? Machen Sie’s, und immer noch Finger weg von den Tasten! Hier kommt die Frage: „Ordnen Sie vom Fettesten zum wenigsten Fetten.“ Und jetzt alle zugleich: Drei, Vier und ON drücken, dann die Ziffern in passender Reihenfolge in den Timer eingeben und schnell VAL drücken.
Wie, so schnell sind Sie nicht mitgekommen? Ich kann Sie gut verstehen, denn das Heftchen muss gründlich durchsucht werden, nach den Begriffen und der zugehörigen Frage. Das ist bei diesem Ddrittklassigen Copyshop-Produkt auch gar nicht so einfach. Außerdem muss jeder noch seinen persönlichen Druckpunkt auf der Folientastatur finden und die Begriffe auf die Notizfläche des Timers schreiben. Keine Sorge, geht eigentlich prima wieder davon herunter, wenn man sorgfältig radiert. Ein bisschen Schmier bleibt aber ...
Wenn Sie’s jetzt immer noch nicht verstanden haben, mach‘ ich’s kurz. QUIZZ-BLUFF ist quasi die Eingangsfrage von WER WIRD MILLIONÄR. Sie haben alles, was dazu gehört, sogar einen Begriff mehr, dafür aber keinen Günter Jauch. Lassen Sie sich nicht zu viel Zeit, Sie müssen die Reihenfolge möglichst schnell ins Gerät eintippen. Sobald Sie VAL gedrückt haben, stoppt das Gerät Ihre Zeit. Wer jetzt richtig liegt und am schnellsten war, darf auf den Stuhl ... So dann doch nicht! Es folgen drei Pokerrunden ums Sitzenbleiben – mit und um Spielgeld! Wie soll man mit Spielgeld pokern? Erstens hat man genug davon, zweitens bringt nur echte Kohle den Kick.
In der ersten Runde müssen Sie ins Blaue bieten. Sie wissen weder die Zeiten der Mitspieler, noch, ob Ihre Reihenfolge richtiger als die Ihrer Mitspieler ist. Sie sollten schon von Ihrer Antwort überzeugt sein oder gut bluffen können. Wer dabei bleibt und Spielgeld gelatzt hat, den erwarten nach der zweiten Runde die Tippzeiten. Jeder weiß jetzt, wer wie schnell gewesen ist. Wer jetzt mit irgendwem dieselbe Reihenfolge eingetippt haben sollte, aber langsamer war, kann getrost aufhören. Schnelligkeit siegt, wie beim Fernseh-Vorbild. Sind noch mindestens zwei Zocker im Spiel, folgt die letzte Poker-Runde. Dann schlägt die Stunde der Wahrheit, die Reihenfolge wird offenbart und mit der aus dem Heftchen verglichen. Steigt vorher wer aus? Kaum, ist ja doch nur Spielgeld.
Der Autor J.-Claude M. GanteilleEs wird gezockt - bis zum Erbrechen! Das killt das Spiel ... obwohl der elektronische Teil mit Timer und Speicher ganz gut umgesetzt ist. Und wären die Fragen nicht so kryptisch ins kopierte Heftchen verfrachtet worden, sondern fein säuberlich auf Karten gedruckt, wäre QUIZZ BLUFF sogar richtig gut spielbar. QUIZZ BLUFF meets LINE UP (von Jumbo), das wär’s gewesen. Natürlich wird dann um echtes Geld gespielt. Fangen wir klein an: 10 Cent pro Erhöhung – macht bis zur dritten Runde schon den einen oder anderen Euro. Und die Bauchtasche ist dann auch zu mehr gut, als nur das Spielmaterial aufzunehmen. Darin wird die Kohle abtransportiert.

Wolfgang Friebe

QUIZZ BLUFF von J.-Claude M. Ganteille für 2-6 Personen, Ouvea France, (diese Site war allerdings tot, als ich diese Kritik geschrieben habe, www.allwhois.com weiß auch keinen Rat)


Zuerst veröffentlicht in der Fairplay

Montag, 23. Februar 2004

+ Gülle Gülle

Bauernalltag

Dieses Spiel stinkt nicht, weder leicht säuerlich noch stechend. GÜLLE, GÜLLE bleibt geruchlos. Ein guter Landwirt merkt nichts vom Gestank, wenn seine Gülle aus dem Fass spritzt. Wofür gibt es vollklimatisierte Treckerkabinen? Nur ein Tropfen Gülle in die Schachtel, und das Spiel wäre authentisch. So zeigt sich der bäuerliche Alltag von seiner geruchlosen, aber um so eintönigeren Seite. Runde um Runde versteigern, Acker umbrechen, versteigern, Gülle aufbringen, versteigern, Mais ernten ... Nach drei Runden beginnt die Schose von vorn. Jedes Tagwerk beginnt mit der Auktion der obersten Karte: Kuh oder Acker. Bezahlt wird mit Maiskolben. Geld kennen unsere Bauern sowieso nicht, allerhöchstens klagen sie darüber, keines zu haben. Der Tauschhandel lebt fort ...

Zurück zu bäuerlicher Wirklichkeit. Mit nur vier Maiskarten startet jeder Landwirt, davon ersteigert man einen Acker und dann erst eine Kuh, umgekehrt geht’s natürlich auch, ist aber nicht ganz so gut. Die Kuh produziert Runde um Runde Gülle, die man ohne Acker nicht unterpflügen und deshalb stapeln muss. Mit Acker und Kuh wäre die Ertragssituation schon fast perfekt. In der ersten Runde pflügt man den Acker und nimmt nach getaner Arbeit für jede eigene - zunächst nur eine Kuh - eine Güllekarte. In der zweiten Runde wird mit der Gülle der Acker gedüngt, wobei zwei Güllekarten auf jeden Acker passen. Ein Bauer merkt rasch: Eine Kuh produziert in einem Zyklus genau eine Güllekarte zuviel, drei Karten passen nicht aufs Feld. Der zweite Acker muss her, denn ansonsten gilt: Gülleüberschuss bringt jede Menge Minuspunkte.

Um zwei Äcker richtig auszunutzen, braucht man vier Güllekarten. Eine Kuh schafft aber nicht mehr als drei. Bauern sind klug, weshalb sich jeder zwei Kühe und drei Äcker zulegt. Sechs Güllekarten reichen für drei Äcker. Nix bleibt übrig, der Kreislauf ist optimiert, der Rest ist Routine. Machen Sie nur nicht den Fehler, mehr Kühe oder mehr Äcker anzuschaffen, nur weil es sonst zu langweilig wird. Es ist Ihr Ruin! Glauben Sie mir, ich bin staatlich geprüfter Güllebauer. Halten Sie lieber den Stapel der Güllekarten im Auge, der im Verlauf ständig schrumpfen wird. Ist er aufgebraucht, endet das Spiel. Von diesem Stapel werden Kühe mit Gülle versorgt. Durch Ernten wird aber immer mehr Gülle zu Mais umgewandelt und dem Stapel entzogen. Nur wenn Mais als Zahlungsmittel eingesetzt wird, kommt es als Gülle wieder zurück auf den Stapel. Wozu noch investieren?

Dann kommts aber knüppeldick für dumme Bauern. Gerade gegen Ende kaufen Großbauern teuer ein, müssen sehr viele Maiskolben in den Güllestapel zahlen. Sonst ist das Spiel zu Ende, bevor sie ihre überschüssige Gülle los geworden sind. Da wird gnadenlos überbezahlt, nur damit der Stapel der Güllekarten wieder wächst. Dieser ruinöse Preisanstieg dient einzig und allein dazu, noch einmal an die Reihe zu kommen, damit überschüssige Gülle auf die Äcker kommt. Einen kurzen Augenblick lodert ein Strohfeuer von Spielreiz auf ... aber wirklich nur ganz kurz!
Irgendwann ist dann aber doch Schluss mit lustig. Jede Güllekarte bei den Kühen wird von den Maiskolben auf der Hand abgezogen, ausgebrachte Gülle auf den Äckern zählt zum Glück nix. Wenn es Ihnen wirklich gelungen sein sollte, einen Überschuss zu erzielen, sollten Sie schleunigst Landwirt werden. Da haben Sie Perspektive. Ansonsten lassen Sie lieber die Finger von dieser drögen Landwirtschafterei. Sonst erleben Sie, wie mechanisch und wortkarg GÜLLE, GÜLLE gespielt wird. Sind Bauern wirklich so?

Auftraggeber für dieses Spiel ist der Deutsche Landwirtschaftsverlag. Schlecht ausgedacht von Thomas Fackler - optisch allerdings hervorragend von Ilja Sallacz in Szene gesetzt. Als Bauernfunktionär würd’s mir mächtig stinken, gerade weil das Spiel so steril ist. GÜLLE, GÜLLE spiegelt die Trostlosigkeit des Bauernjobs ganz real wider. Da halte ich es doch lieber mit den Türken, für die hat GÜLLE, GÜLLE eine handfeste Bedeutung: Auf Wiedersehen! Das weiß ich übrigens nur, weil ich schon DOLMÄTSCH gespielt habe.

Wolfgang Friebe

GÜLLE, GÜLLE von Thomas Fackler für 3-5 Spieler, DLV-Verlag 2003

Zuerst veröffentlicht in der Fairplay