Mittwoch, 23. August 2017
Das 101. Großspielen mit einem ganz schlimmen Spiel und der Wald- und Wiesenedition vom Heidelbär
Ich hatte dieses Spiel vorher bereits angekündigt: als „nicht ganz korrektes Spiel aus Übersee.“ Dass das Thema Empfindlichkeiten triggern kann, war mir klar. Schließlich geht es um Hitlers Machtübernahme 1933. Aber nicht, dass Sie jetzt denken, dass die Grafik des Spiels anstößig sei. Es gibt keine verbotenen Nazi-Symbole, weder auf der Schachtel noch auf dem Material. Die Optik ist aber komplett im Stil der 30er Jahre gehalten. Ich muss sagen: Es sieht gut aus.
Auf verbotenene Symbole legen wir selbstverständlich keinen Wert, was auch für mich ein NoGo gewesen wäre. Ich hätte es dann auch nicht aus Übersee geordert, wenn ich so etwas vorher auf dem Material gesehen hätte. Und die Nazis heißen Faschisten … was aber auf dasselbe heraus kommt.
Und die Faschisten spielen mit Vorteil. Sie kennen ihre Mitfaschisten, wissen wer Hitler ist. Die Liberalen und Hitler wissen nix. Will heißen: Die liberalen Spieler müssen erkennen, wer Faschist und wer Hitler ist. Ist nicht so ganz trivial … erfordert es doch genaues Beobachten, wer sich wie im Spiel verhält und wer wem den Posten des Reichskanzlers gibt. Das Ziel der Liberalen ist, fünf liberale Gesetze durchzubringen. Was ganz und gar nicht einfach ist, weil insgesamt nur sechs liberale Gesetze im Stapel sind, hingegen 11 faschistische. Die Faschisten gewinnen, wenn sie ihr fünftes Gesetz durchbringen oder wenn Hitler in der vierten Runde Reichskanzler ist. Den Liberalen bleibt noch eine kleine Hoffnung: Ein liberaler Reichspräsident könnte ab einer bestimmten Runde jemanden erschießen lassen, dann aber hoffentlich den Richtigen! Ist nur blöd, wenn gerade ein Faschist Präsident ist. Ansonsten heiligt auch für Liberale der Zweck die Mittel.
Nachdem alle ihre Rolle, die Faschisten zudem sich selbst und Hitler kennen, wird der erste Reichspräsident bestimmt, der wiederum seinen Kanzler bestimmt. Alle stimmen darüber ab, nur bei Mehrheit darf die Regierung Gesetze beschließen. Gleichstand reicht nicht und kann das Reich ins Chaos stürzen.
In der Gesetzgebung zieht der Präsident drei Gesetze vom Stapel, gibt zwei davon an seinen Kanzler, der wiederum eines offen legt und es als beschlossen gilt. Ist es nun ein liberales oder ein faschistisches Gesetz? Wie, was, wieso? Rückschlüsse sind möglich, das macht das Spiel und jede Diskussion über das Wie, Was oder Wieso aus. Bitte überlegen Sie selbst! Welche Konstellationen unter drei Karten sind möglich? Wie verhält sich ein liberaler oder faschistischer Reichskanzler? Welche Information zieht der Präsident aus der Entscheidung seines Reichskanzlers? Hat der Kanzler sich für ein liberales oder faschistisches Gesetz entschieden? Noch eine wichtige Prämisse: Liberale sollten immer – sofern möglich - ein liberales Gesetz auslegen. Zu bluffen ist für sie keine Option … Das Spiel ist schon ziemlich subtil, dafür sollte man dieser Werwolf-Variante – ohne Spielleiter! - schon halbwegs durchdringen.
Aber schon beim Erklären, kam es zum Eklat: „Das spiele ich nicht!“ Rigorose Ablehnung! Keine Begründung, nur „Das spiele ich nicht!“ Nach vier, fünf Sätzen Erklärung. Ich hätte es mir denken können … Und fand es überaus schade, dass das Spiel – ohne es zu spielen – gleich so verteufelt und abgelehnt wird. Es geht um unsere Geschichte und lehrt uns, dass die Liberalen es zwar schwer haben, aber dennoch Hitler hätten verhindern können. Wenn sie nur gut zusammen gehalten hätten! Natürlich ist die Ausgangslage im Spiel eine andere als in der Endphase der Weimarer Republik, aber dennoch ein Lehrstück über Zusammenhalt und Foulspiel. Und die Faschisten dürfen foulen und tricksen, sie haben mehr Chancen zur Machtergreifung. Und sie kennen einander. Nichts desto trotz, es ist nur ein Spiel.
So ging es noch vor der ersten Partie hochemotional zu. Ich lerne auf die harte Tour, was ich eigentlich immer predige: Ich spiele die Spiele, die zu meinen Leuten passen und suche mir nicht Mitspieler, die zu meinen Spielen passen. Nur dieses eine Mal verstoße ich gegen meine eigene Einstellung. Warum?! Ich finde das Spiel zu interessant. Ich will es deshalb unbedingt spielen, habe mir sorgsam überlegt, wie ich es erkläre. Es ist nur eine Werwolf-Variante. Hat nix gebracht, außer diesen Eklat. Ich bin trotzdem dankbar, dass die verbleibende Mannschaft es mit mir zusammen versucht. SECRET HITLER ist ein ziemlich interessantes Spiel, dessen provokantes Thema einfach dazu gehört. Und ich habe gelernt, dass diese Großspielerrunde nicht die richtige für diese Art Spiel ist. Schade, denn ich würde gerne mal ein paar andere Spiele, als die ewig gleichen Gassenhauer spielen. Zurzeit sind interessante anspruchsvolle Spiele für viele im Angebot. Zum Beispiel CAPTAIN SONAR … Können wir das angehen?
Nach zwei Partien mit dem bösen Spiel beschließen wir den Abend mit dem gänzlich harmlosen HEIDELBÄR, und zwar in der WALD- UND WIESENEDITION. Es findet sich im Kartenstapel tatsächlich noch ein verirrter Bär unter all den Sauen, Kühen und Rehen.
Und noch eine kleine Änderung: Im August findet das Großspielen bei Elke und Ralf statt. In Zukunft geht es dann reihum, nicht mehr nur bei uns in Münster, sondern vielleicht sogar in Marl, Havixbeck, Everswinkel oder Lüdinghausen. Ich freue mich schon drauf.
Das 101. Großspielen am 04.07.2017 mit Astrid, Inga (zeitweise), Martin (zeitweise), Diane, Elke, Eva, Ralf, Susanne, Moni (zeitweise) und Steve (zeitweise) und mir.
.:Rubrik:.
Großspielen
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Kann ich ehrlich gesagt nicht verstehen, dass man sich weigert, das Spiel auszuprobieren. Die Grafiken wirken harmlos. Als Schweizer sehe ich das Spiel harmlos. Besser als das man die Geschichte vergisst...
AntwortenLöschenDer Mechanismus erinnert mich aber stark an Avalon!? Ich liebe Avalon. Habe auch mal ein Review dazu gemacht: https://www.spielezar.ch/blog/partyspiele/avalon
Beste Grüsse
Emanuel
In der Situation konnte ich auch nicht verstehen, dass das Spiel so wehement abglehnt wurde. Ist aber irgendwie doch klar, dass gerade wir Deutschen mit gewisser Empfindlickeit auf Hitler reagieren, die vielleicht Schweizer nicht nachvollziehen können.
LöschenDu hast sicher recht, dass man die oder unsere Geschichte nicht vergessen darf. In dieser Hinsicht ist das Spiel ein Lehrstück, dem man sich trotz des Themas hätte nähern können.
Gruß
Wolfgang