Donnerstag, 29. September 2016

Rezension: Gifttrap Minis von Heidelberger

GIFTTRAP MINI


Vierlinge

Gute Spiele kriegen Kinder. Manche sogar extrem viele. Deren Vermehrungsrate entspricht der Wunschvorstellung unserer Rentenpolitiker. Es dürfen nur keine Migrantenkinder sein. Die Mutter dieser Babys ist schließlich Amerikanerin, die ihren Kindern immerhin Mehrsprachigkeit erlaubt. Mehr deutsche Kinder wären auf jeden Fall besser, denn dann ist nicht nur die Rente gesichert. Wer will schon im Alter ohne Spiele dastehen. Klar so weit. Dass aber ein Spiel gleich Vierlinge bekommt … bekommen muss!? Da fühle ich mich als Spieleonkel irgendwie überfordert. Welches soll ich wählen? Welches soll ich spielen? Orange, Blau, Pink oder Schwarz? Ich will doch keines zurücksetzen, denn diese Babys sind mir auf Anhieb sympathisch. Dafür schätze ich die Mutter zu sehr, nicht nur deren Optik. Diese Vierlinge kommen ja sowas nach der Mutter, die muss man einfach mögen.

Die Mutter ist wirklich eine gelungene Schachtel, so kubisch, so intelligent, so anders. Die Kinder sind genauso kubisch, haben aber nur in etwa 1/8 vom Volumen der Mutter … und kein Brett in der Schachtel. Und vor allem nicht deren etwas unübersichtliche Wertung, dafür sind sie aber im Handling noch nicht wirklich ausgereift. Gut, man kann sie spielen, wenn man nicht gar zu ehrgeizig mit der Entwicklung der Kinder ist. Sie machen sogar viel Spaß, ganz so wie die Mutter.

Außerdem ist es gar zu einfach, denn Schenken ist ja eigentlich viel schöner als beschenkt zu werden. Also sucht man je nach Mitspielerzahl eine oder zwei Karten aus seinem Vorrat aus, mit denen man beim Beschenkten punkten will. Alle Karten kommen in die schwarze Hülle: „Diese Seite oben!“ steht drauf. Da kommt dann keiner mit Vorder- und Rückseite der Karte durcheinander. Gut im Ansatz, aber nur wenn der Beschenkte nicht hinschaut, welche Farbe das Kärtchen hat. Am besten, der Beschenkte schließt die Augen und lässt sich überraschen. Erst wenn die Karten wild durcheinander gemischt in der Tischmitte liegen, ist er wieder im Spiel und bewertet seine Geschenke. Minus 4 Punkte für etwas, was ihm gar nicht gefällt. Drei, zwo und ein Pluspunkt für das, was ihm gefällt. Und irgendwer schreibt die Punkte auf. Das ist schon die ganze Wertung.

Und in jeder Schachtel gibt es wieder gelbe, blaue, rote und schwarze Karten. Ganz die Mama. Aber manche Karten sind irgendwie anders, manche sogar befremdlich, einige abgedreht und ein paar auch nicht jugendfrei. Einige Karten erscheinen mir seltsam, wahrscheinlich weil da ein paar amerikanische Gene durchschlagen. Oder liegt es nur an der Übersetzung? Mein Favorit aus der blauen Schachtel sind „Dopies-Schlappen.“ Noch nie gehört? Wenn Sie diesen Text im Internet läsen, könnten Sie ja einfach auf den Link klicken, dann wüssten Sie's. Falls Sie gerade nur unser Magazin in Händen halten: Das sind so eine Variante der Flip-Flops, aber ohne Überwurf. Stattdessen gibt es eine Spreize zwischen dem großen Onkel und dem nächstfolgenden Zeh, die auch Teil der Sohle ist. Sowas täte ich ja nie tragen – vier Minuspunkte. Kurioserweise sind auf den Schachtelböden Minus-1-Chips abgebildet, aber in der Schachtel sind wirklich die erwarteten Minus-4-Chips. Alles gut soweit.

Und wenn Sie mal nicht so ganz jugendfrei spielen wollen, greifen Sie zur schwarzen Kiste. Alle anderen Editionen sind mindestens so empfehlenswert wie das Grundspiel. Die Karten aus den Mini-Kisten eignen sich natürlich auch als Erweiterung des Grundspiels. Unter echten Spielern sind leicht anzügliche Themen naturgemäß etwas schwierig. Aus gut unterrichteter Quelle weiß ich aber, dass sich die schwarze Box etwas besser verkauft als die harmlose orange, pinke und blaue Edition.

Wolfgang Friebe

GIFTTRAP MINI – EDITION ORANGE, EDITION PINK, EDITION BLAU und EDITION TABOO (schwarz) für 3 und mehr Personen bei Heidelberger Spieleverlag 2010

Zuerst veröffentlicht in der Fairplay
zuerst veröffentlicht in FP 97



1 Kommentar:

  1. Genau genommen sind es kanadische Gene, die bei den Geschenken durchschlagen. Geradezu störend war die hohe Zahl an Booten und Wassersportarten, die sie drin haben wollten. Wir (die Heidelberger Redaktion und ich als Übersetzer) mussten eine Menge Gegenvorschläge machen (und dann natürlich auch Fotos dazu haben), um das auf ein erträgliches Maß zurückzustutzen.

    Bei manchen Geschenken war's bei der Übersetzung wie schon beim Grundspiel schwierig: man kennt es entweder nicht (dann hoffe ich, dass der abweichende deutsche Text genügt und Nerds, wenn es denn sein muss, sich über den englischen Text die "korrekte" Bedeutung und ihren inneren Vorbeimarsch holen)
    oder eine Fernreise (für Nordamerikaner) wird zu einem Heimspiel bei Europäern und umgekehrt. Das ist halt nicht lösbar, der Wert des Geschenks passt dann nicht so recht ins Raster. Beim Spielen stellt man aber fest, dass das kaum stört.

    Ganz witzig fand ich beim Lokalisieren die Geschenkidee "durch Wände gehen können" in einer umfangreichen Ideenliste. Auf meine Frage, warum das denn nicht bei den Karten dabei sei, kam die Antwort: Wir haben dafür kein Foto. Meine Gegenantwort war: gebt mir 30 Minuten, dann haben wir das Foto. Die Karte ist jetzt drin (in der blauen oder schwarzen Ausgabe?), mit einem Foto einer Backsteinwand unseres Hauses und mit der gephotoshopten Rückenansicht meiner Wenigkeit – nicht erkennbar – die in der Wand verschwindet.
    Dafür ist ein Motorboot rausgeflogen. Was ein Glück.

    AntwortenLöschen

Vielen Dank für Ihren Kommentar.

Nur noch einen (kurzen, längeren, langen) Augenblick, dann schalte ich Ihren Kommentar (bestimmt, vielleicht, nie) frei.

Gänzlich anonyme Kommentare veröffentliche ich nicht.