Freitag, 28. Februar 2014

Das Ende aller Spielekritik (I) – Alles nur eine Frage der richtigen Einstellung

Damals war alles viel übersichtlicher, aber auch viel schwieriger. Wie konnte sich jemand vor 20, 30 Jahren als Spielekritiker etablieren? Ohne eine Kolumne in einer Zeitung? Klar gab es Spielbox und die Altherrenriege der Jury Spiel des Jahres. Und sonst?! Als ich Mitte-Ende der 80er in die Spielewelt eintauchte, wollte ich unverfälschte Meinung lesen und beim Namen genannt bekommen, welche Spiele sich oder so gar nicht lohnen. Ich bin dann 1986 bei einem meiner ersten Essen-Besuche auf die Pöppel-Revue gestoßen, an Fairplay bzw. deren Vorläufer Spielkunde Information hab’ ich damals noch keinen Gedanken verschwendet. Nach und nach entdeckte ich noch mehr Meinungsmacher, die meisten davon sind längst untergegangen. Richtig leid hat es mir um die Pöppel-Revue und ganz besonders um die Rezensionen von Wolf von der Osten-Sacken getan. Der Merz-Verlag hat das Heft einfach eingestellt. Alles andere?! Naja, es reicht noch für ein bisschen Wehmut beim Durchblättern des Altpapiers. Davon trennen kann ich mich aber noch nicht.
Heute ist ja alles anders und zum Drucker muss auch niemand mehr gehen. Also zu einem richtig echten Drucker mit Druckmaschine … Jeder kann einen Blog eröffnen, sich auf diversen Webseiten als Kritiker versuchen, in den Schwarm eintauchen. Alles kein Problem. Aber blüht deshalb auch gleich die Meinungsvielfalt? Ja und nein. Es gibt auf jeden Fall mehr Meinung, nur leider allzu oft ähnlich gelagert, meistens aus dem Blickwinkel von uns Vielspielern für andere Vielspieler. Ist das schlecht? Es bleibt halt alles unter der Glocke, wahrscheinlich weil es draußen gar nicht so viele Menschen gibt, die sich so intensiv mit Spielen auseinandersetzen wie wir … und Spiele erst gar nicht so wichtig nehmen wie wir, gar nicht erst die Leidenschaft spüren.
Und dann wird doch mancher von seiner Leidenschaft überrannt. Die Distanz zu Spielen, Verlagen oder Autoren geht verloren. Wer wundert sich dann noch, dass nichts anderes als anbiedernde Bewunderung heraus kommt. Niemand muss immer das Haar in der Suppe finden, sich mit Verrissen hervortun, aber wie ein (bezahlter) Fashion-Blogger alles zu bejubeln, womöglich Promotion als Meinung unterzujubeln, muss auch nicht sein.

4 Kommentare:

  1. Hallo Wolfgang,

    ich kann noch auf Druckerschwärze zurückgreifen. Finde diese aber bei der heutigen Auswahl an neuen Veröffentlichungen FÜR Verrisse verschwendet. Wo von Redaktionsseiten meine Aussage in Zeichen gezählt werden und ich DEM Volk was vom Spiel erzählen möchte, stellt sich für gar nicht die Frage, meine Meinung zu präsentieren.
    Ist Dir wirklich meine Meinung über das Spiel wichtiger als die Deine, die Du Dir bildest, wenn ich erzähle, was das Spiel mit DIR macht.

    Eine ehrlich kenntlich gemachte (vergütetet) Promotion-Maßnahme ist mir viel sympathischer als wenn Heerscharen von Marketing-Angestellte der Verlage auf die Kritiker gehetzt werden, um KOSTENLOSE Produktförderung loszutreten. Da wird es schon schwieriger zu beurteilen, was es ist.

    Liebe Grüße
    Nils

    http://aiblinger-zockerbande.de/Spieletipps.htm

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    1. Hi Nils,
      natürlich ist klar, dass man in einer Zeitung besser Empfehlungen ausspricht. Diesen Reflex kenne ich zur Genüge, schließlich habe ich über mehrere Jahre wöchentlich für eine Zeitung geschrieben. Manchmal muss man aber seine eigene Mission bzw. Meinung überdenken. Wenn ich heutzutage z.B. bei Amazon Produktbewertungen von Kunden lese, lese ich immer zuerst die negativeren Kritiken. Die zeigen mir die Schwachstellen. Ob ich dann darauf anspringe, kommt immer auf den Stil der Bewertung an. Lärmendes Genörgel ist für mich unglaubwürdig.
      Und wenn ich eine längere Rezi schreibe, will ich nur mitteilen, was das Spiel mit meinen Mitspielern und vor allem mit mir gemacht hat. Authentizität steht an erster Stelle. Sich einen Reim darauf zu machen, überlasse ich den Lesern. Schließlich interpretiert jeder meinen Text, das kann ich gar nicht verhindern.
      Ob im gesamten Bloggerbereich immer alles so gut kenntlich gemacht wird, was bezahlte Promotion ist, ist so eine Sache. Ich hab' mich immer schon gewundert, warum im Fashion-Bereich so viele Links im Text auftauchen. Jetzt weiß ich auch warum: Die Links werden nach Prüfung des Blog-Artikels durch den Auftraggeber vergütet.

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  2. Mal ne andere Frage: In der Computerspielszene gab es immer das Problem, dass die Firmen der Computerspiele logischerweise auch Anzeigen schalteten und so eine starke finanzielle Abhängigkeit entstand. Das würde für Webseiten sprechen, die weitestgehend Werbefrei sind.
    Sie größte Abhängigkeit sind imho allerdings tatsächlich Rezensionsexemplare - wie auch diese Videorezigeschichte zeigt.

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    1. Ich glaube ja, dass die größte Abhängigkeit erst dann entsteht, wenn jemand komplett vom Rezensieren leben würde. Dazu wird's bei mir aber nicht kommen.
      Und Befürchtungen, ich würde jedes Rezesionsexemplar in den Himmel heben, musst du dir bei mir hier und der Fairplay nicht machen. In der Fairplay haben wir mal vor vielen Jahren im selben Heft zu einer Ravensburger Anzeige genau das beworbene Spiel schön zerlegt. Rate mal, was dann passiert ist? Wir haben die Fairplay nicht einstellen müssen, weil wir ja nicht von der Zeitung leben müssen. Und vom Bloggen muss ich auch nicht leben, hab' also alle Freiheiten.

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