Wer packt nicht gerne ein neues Spiel aus? Früher hatte ich beim Öffnen der Schacheln eine Marotte, die ich mir bei einem Verlagsmenschen abgeschaut hatte. Ist schon Jahre her, da hat der Mann von Silver Bear während der Essener Spieletage die Folie auf der Rückseite der Schachtel an drei Seiten mit dem Messer aufgetrennt, den Deckel samt Folie abgehoben und die herabhängende Folie in den Deckel eingeschlagen. Nur so bliebe das Spiel geschützt, und nur so könne er das Ansichtsexemplar noch verkaufen. Wer's glaubt?! Die Spiele von Silver Bear entpuppten sich später als Ladenhüter, und den Mann habe ich dann noch Jahr für Jahr in Essen wieder gesehen – mit 'nem Glücksrad.
Aber für mich, damals noch voll brennender Leidenschaft, eine ideale Idee. Ich wollte schließlich die Jungfräulichkeit, den Geruch des neuen Spiels, die Makellosigkeit der Karten längstmöglich erhalten. Zutiefst hat es mich dann immer getroffen, wenn einer meiner Mitspieler nachlässig mit meinen - MEINEN! - Spielen umgegangen ist. Was habe ich gelitten, als Regeln unachtsam total zerfleddert wurden, die Seiten nach Gutdünken, wie bei einer Illustrierten umgeknickt wurden. Was habe ich mich über Norbert geärgert, der erst Erdnüsse aus der holen Hand gefre... gegessen und dann die Karten von TOP SECRET in die Hand genommen hat. Bei TOP SECRET hat ja jeder seinen eigenen Kartenstapel ... und noch heute, nach fast 30 Jahren ist Norberts Kartensatz genau zu erkennen.
Ich habe sogar zeitweilig angefangen, Karten in Hüllen zu packen, alles in Ziptüten zu verpacken, labberige Schachteln von innen zu verstärken und die Spiele vor Sonnenlicht zu schützen. Ja, ich wollte, dass sich meine Spiele gut behandelt wissen. Alle Spiele ...
Aber warum soll ich auch mittelmäßige Spiele so behandeln? Oder Spiele, die ich tatsächlich so oft spiele, dass sie doch irgendwann sowieso abgenudelt und deswegen längst mehrfach vorhanden sind. Weg mit dieser Spieler-Spießigkeit! Da könnte ich ja auch gleich weiße Glaceehandschuhe an meine Mitspieler ausgeben. Wollen wir wirklich, dass uns Außenstehende für verschroben oder leicht plemplem halten? Außerdem: Lohnt der ganze Aufwand überhaupt? Wie oft spielen Sie ein Spiel? Und wie lange ist die Halbwertszeit eines Spiels noch? Ein Jahr ... drei, vier Partien ... dann sitzen Sie doch schon mit dem nächsten Tisch am Spiel. Haben es beim Auspöppeln wieder liebevoll gestreichelt, es liebkost und sorgfältig behandelt und das letzte Spiel längst in Ihrem Spielekolumbarium aufgebahrt. Aber dann haben Sie doch wenigstens alle Gummis von den Karten genommen. Die könnten eintrocknen ... wäre verdammt unschön.
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