Sonntag, 9. März 2008

+ Gisborne

Wo ist die Landkarte?

Das wäre was: Die Auflagenzahl der FAIRPLAY zählte Hunderttausende; ich müsste Kritiken für die breite Masse schreiben. Wie in einer Tageszeitung, wo Gelegenheitsspieler oder gar Zufallsleser Spiele in 20 Zeilen konsumieren und sogar noch ein aussagekräftiges Pressefoto gereicht bekommen. Dann könnte ich GISBORNE richtig viel abgewinnen. Ist es so einfach, so schlicht ? Taugt es für die breite Masse? Bestimmt, aber ich weiß ja, für wen ich schreibe – glaube ich zumindest. Für diese Zielgruppe ist GISBORNE so gut wie nix, und ich muss hier sogar noch eine Seite darüber füllen. Befehl vom Chef!
Ist es wirklich einfach? Ich denke ja, denn mit den wenigen Überlegungen dürften Sie kaum gefordert, geschweige denn überfordert werden. GISBORNE ist ein Laufspiel, mit einer in Maßen variablen Rennstrecke. Dass es dabei um Landvermessung im fernen Neuseeland geht, schlägt einem nicht unbedingt entgegen, weder vom Cover noch durch den Titel. Ich dachte eher an den Widersacher von Robin Hood und stieß dann dank Google auf das echte Leben in Neuseeland, speziell das der Stadt Gisborne. Die Suche nach "Gay of Gisborne" führte mich nicht zu Robin Hood. Schreibt sich Gay wie Gui? Ach ja, es geht hier eigentlich um Clementonis Spiel ...
Zwischen Start- und Zielkarte liegen neun unbekannte Streckenplättchen, eines spielt nicht mit. Immer wenn eine Figur das aktuelle Streckenplättchen verlässt, wird ein neues aufgedeckt und fachmännisch verzapft, mal mit positiven, mal mit negativen Konsequenzen. Als Landvermesser weiß man bekanntlich nie, was einen im unerforschten Gelände erwartet. Der Weg zum Ziel ist aber nicht wirklich dramatisch, die Folgen sind zu verkraften. Trotzdem ist man in der Pflicht. Man muss Wegfelder zählen, überhaupt die Übersicht behalten. Der Weg in der Wildnis ist zwar plattiert, doch die zu großen Figuren verstellen einem gerne den Blick.
Um auf ein Wertungsfeld zu gelangen, braucht man natürlich die passenden Karten. Da in der Reihenfolge der Figuren gezogen wird und man die Karten vorab auswählen muss, kann man sich mitunter ausrechnen, dass man das Feld gar nicht vor der Konkurrenz erreichen wird. Oder riskiert man's trotzdem? Fehlen den Vorläufern die passenden Karten? Ist das prickelnd? Erleben Sie die Spannung? Naja ... vielleicht, weil man auf das besetzte Feld gerät, deshalb auf das nächste freie vordere Feld rutscht und die Unbill des Geländes erfahren muss: Wölfe, Sumpf ... Pro "bronzener" Karte geht’s nur ein oder zwei Felder vorwärts. "Silberne" sind besser und „goldene“ überhaupt die besten Karten. Da man bis zu fünf Karten einer Farbe ausspielen darf, kommt man je nach Kartenfarbe richtig voran oder eben auch nicht. Allerdings gibt es immer nur zwei, eine oder keine Karte retour, je nachdem ob man bronzene, silberne oder goldene Karten gespielt hat.
Vorne mitzumischen ist auf jeden Fall hilfreich, denn immer wenn eine Figur auf einem Wertungsfeld einen Siegpunktchip einsammelt, wird auch die Reihenfolge der Figuren gewertet. Wer vorne liegt bekommt drei Karten, wobei man sich blind entscheiden muss, ob man die Karten auf der Hand oder in seiner Kiste deponiert. Jede Karte darin zählt einen Siegpunkt. Wer weiter hinten steht, bekommt weniger Karten. Der Letzte muss zwei Karten auf die Hand nehmen - keine Möglichkeit, an Siegpunkte zu gelangen. Kartennachschub ist wohl wichtiger. Pech nur, wenn man nur kleine "bronzene" Karten nachzieht und weiter hinten rumkrebsen muss. Wen das Glück bevorzugt, hat gute Karten. Eine ganz schlichte Weisheit.
Ist es auch schön? Die Schachtel und insbesondere deren Einsatz sind es definitiv. Das Inlet ist schreiend orange und aus Plastik. Und es passt tatsächlich alles Material hinein, vorausgesetzt man baut die verzapften Kisten wieder auseinander, fesselt die Karten mit Gummiringen und mag Geduldsspiele. Für Clementoni ist das ein echter Schritt voran, ebenso wie den aktuellen Helden der Grafik anzuheuern. Michael Menzel zeichnet wieder gekonnt, allerdings gefällt mir die Farbwahl der Wegeplättchen nicht wirklich. Alles so blass, so grünlich oliv, so gar nicht dramatisch - das hat nichts von Entdeckertum, Vermessung und Landkarten. Was Clementoni da verzapft hat, kann jeder spielen, Sie müssen es aber nicht.

Wolfgang Friebe

GISBORNE von Carlo A. Rossi für 3 bis 5 Personen, Clementoni 2008

Zuerst veröffentlicht in der Fairplay

2 Kommentare:

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