Dienstag, 20. November 2012

Spiele-Archäologie Teil 5: KÄNGURUH aka DIE HEISSE SCHLACHT aka GENERALOWSKY von Alex Randolph

Alexander Randolph war neben Sid Sackson der Grand-Seigneur der Spieleautoren. Obwohl, ist das eigentlich der richtige Begriff für die beiden Großen unter den Spieleautoren? War Alex Randolph ein Mann von vornehmer Abkunft und mit großem Vermögen? Im Buch von Philippe Evrad über Alex Randolph liest es sich so. Evrads „Die Sonnenseite – Fragmente aus dem Leben eines Spielerfinders“ verrät so einiges aus dieser Richtung. Ob Alex Randolph vom Spieleerfinden leben musste? Mir scheint, dass er nicht musste, letztlich wohl aber konnte. Mit dem nötigen finanziellen Polster hat sich Alex Randolph schon relativ früh dem Erfinden von Spielen zugewandt, als niemand Spielautoren (er)kannte und Spiele wie selbstverständlich noch „erfunden“ wurden.

Essen 1997: Alex Randolph spielt sein Halunken und Spelunken
Über Jahre begleiteten mich seine Spiele. Und wie es sich für einen Spieleerfinder gehört, der nichts anderes macht, als Spiele zu erfinden, hat er solche und solche Spiele hinterlassen. Großartige wie JAGO, TOP SECRET, CODE 777 und besonders auch HOL'S DER GEIER waren damals für mich Meilensteine. Viele andere seiner Werke sind bis heute nicht mein Ding. Für mich ist TWIXT nix, gar nix. Mich hat damals jede Partie gefrustet, dass der Anziehende immer gewinnt. So richtig funktionierte es nicht. Außerdem wusste ich als Jugendlicher noch gar nicht, wer der Autor dieses Spiels war. Es interessierte mich auch nicht. Und gespielt habe ich damals gar nicht das echte TWIXT, sondern das Plagiat IMURI. War ja auch viel schöner … mit Mauern und Türmen statt mit Schraubenschlüsseln und unförmigen Achsen.

Es muss so um 1995/96 gewesen sein, da hatte ich die Ehre mit Alex Randolph einen seiner Prototypen zu spielen. In einer Pressekabine während der Essener Spieletage wurde ich als Vertreter der Fairplay zu einer Partie SIZIMIZI abgeordnet. Das Spiel schaffte es tatsächlich 1996 auf die Auswahlliste zum Spiel des Jahres. Ich fand SIZIMIZI nur fürchterlich trocken und bereits aus der Zeit gefallen. Zu abstrakt für einen aufblühenden und vielfältigen deutschen Spielemarkt. Und weil ich manchmal meine Meinung nicht verbergen kann, hat es bestimmt auch Alex Randolph nicht gefallen … mein westfälischer Charme kann - mir oft unbewusst - ziemlich direkt sein.

Aber um SIZIMIZI und um die schlechteren unter Alex Randolphs Spielen soll es ja gar nicht gehen. Bestenfalls nur am Rand, ein kleines bisschen. Sein KÄNGURUH ist knackig, witzig und schürt Emotionen. Mich wundert bei der ganzen Flut an Würfelspielen, dass sich nicht ein Verlag diese Perle geschnappt hat. Das unscheinbare KÄNGURUH hat nicht nur mich Mitte der 80er-Jahre schwer begeistert.

Essen 2002: Ausstellung zum 80. Geburtstag

Vom Deutschen Spielearchiv gibt es anlässlich der Ausstellung zum 90. Geburtstag von Alex Randolph ein Youtube-Video, in dem sich einige seiner Wegbegleiter über seine Person äußern:



Alex Randolph: KÄNGURUH für 2 bis 6 Spieler ab 6 Jahren bei Ravensburger 1974

Thema: Nebensache! Obwohl Kängurus ganz gut passen, denn ab und an schleppt man doch den einen oder anderen Spielstein wie ein Känguru im Beutel mit.
Optik: Bunt, ziemlich bunt, sogar poppig, dafür umso schnörkelloser. Und die Schachtel finde ich heute wieder schön.
Mechanik: Drei Würfel und sieben Augen. So viele Augen sind maximal erlaubt, wer darüber würfelt, fliegt aus dem Rennen, muss neu starten. Und das Würfelergebnis wird mit der Anzahl der geworfenen Würfel multipliziert. 3 Würfel mal 7 macht 21, führt den Stein ein Mal um den Parcours und aufs Zielfeld. Die oberste Preiskarte ist mein. Ist es die Sieben, jubele ich. Ist es nur eine 1, dann warte ich vielleicht ab, will gar nicht so schnell voran kommen.
Dumm nur, wenn jemand so gut würfelt, dass sein Stein auf meinem Stein landet. Dann darf ich diesen Schmarotzer sogar noch mitnehmen. Und zudem entscheidet er auch noch, mit wie vielen Würfeln ich würfeln darf. Und wenn dann noch einer auf unserem Stapel landet? Dann beiße ich in die Tischkante … und fluche still in mich hinein. Und wenn ich mal schmarotzen darf? Dann bekommen es die anderen auch zu hören, wie gut ich das finde.
Fazit: Ob man sich für KÄNGURUH oder dessen Nachfolger DIE HEISSE SCHLACHT entscheidet, ist reine Geschmackssache. Mir gefällt die poppige Siebziger-Jahre-Grafik um Längen besser.
Ranking: Ist längst auf meiner Seite mit den Würfelspielen erledigt. Und all die im Spieljahrgang 2011/2012 erschienenen Würfelspiele können KÄNGURUH längst nicht das Wasser reichen … vielleicht noch VEGAS.
Mittelmäßigkeit: Daran brauch' ich nicht einen Gedanken zu verschwenden.

Nur von GENERALOWSKY, einem Spiel mit ähnlichem aber in seinen Auswirkungen doch anderen Mechanismus, kann man getrost die Hände lassen. Dieses Spiel ist wirklich grottig schlecht. Alex Randolph hatte dafür dann damals in der Fairplay tüchtig einstecken dürfen, denn jeder Nervenkitzel wurde GENERALOWSKY tüchtig ausgetrieben. Statt einfacher Sechsseiter sind dem Spiel drei Würfel mit unterschiedlichen Augenzahlen beigegeben. Das Risiko vom Brett zu fliegen steigert sich vom grünen über den gelben zum roten Würfel. Da verpufft jedes Risiko, jede Spannung, denn wer greift nicht irgendwann nur noch zum roten Würfel.

3 Kommentare:

  1. "Mich wundert bei der ganzen Flut an Würfelspielen, dass sich nicht ein Verlag diese Perle geschnappt hat."
    Jetzt passiert: 2014 wird es eine neue Ausgabe bei franjos geben.

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  2. Das freut mich. Mal schauen, wie eure Ausgabe dann aussehen wird und ob ich die dann auch noch in meine Sammlung aufnehme. Ich drück' euch auf jeden Fall die Daumen. Die heiße Schlacht... war ja international sehr gesucht, da sollte sich eine Neuauflage doch gut verkaufen. Kommen die Regeln auch auf japanisch oder koreanisch? Aus diesen Länder hatte ich ein paar Anfragen.

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  3. Ich weiß, dass auf der Messe die Exemplare von "Die heisse..." auf dem Flohmarkt in Essen immer sehr schnell ausverkauft waren, weil Japaner die gesucht haben. Mit asiatischen Regeln habe ich wenig Erfahrung, obwohl mir ein koreanischer Kunde mal einige Regeln übersetzt hat (Formel Fun, Hyle7 z.B.).
    Ich will aber versuchen, ob ich jemanden aus Asien mit ins Boot bekomme.
    Den Titel (mit Sicherheit) und das Thema (mit großer Wahrscheinlichkeit) werde ich aber ändern. Evtl. auch die Spielerzahl erhöhen. Muss ich aber noch testen, ob das auch mit 7 oder 8 Spielern gut funktioniert. Theoretisch müsste es das.

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