Jean-Louis Roubira (Illustration von Marie Cardouat): DIXIT für 3 bis 6 Personen, Libellud 2008, zuerst veröffentlicht in Fairplay 90
Ein Mädchenspiel
Wie süß, wie schön! Diese knuddeligen Häschen, die da um die Grube hüpfen. Die Zukunft einiger meiner Spielekreise ist auf unabsehbare Zeit gerettet. Mit DIXIT kann ich punkten, auch bei Nichtlateinern und ganz besonders in der Damenwelt. Das Spiel wirkt schon auf den ersten Blick feminin. DIXIT ist ein wunderbarer Ausgleich für die vielen hochstrategischen und anspruchsvollen Spiele, mit denen ich zuweilen meine Damenrunden quäle. Meine Mitspielerinnen werden mir in Zukunft sicher einige Ausrutscher zu echten Spielen verzeihen. Ich bin da sehr zuversichtlich. Da spiele ich auch dieses assoziative Bilderspiel, DIXIT wiegt locker das eine oder andere CHICAGO EXPRESS wieder auf.
Im Ernst: Ist DIXIT wirklich ein Spiel für Sie und mich? Formal ja, denn das Äußere stimmt. Eine Schachtel, große Bilderkarten, Plättchen, Figuren, Regel - sogar mehrsprachig. Alles da, und so richtig schön, hübsch und knuddlig. Ganz, ganz süß. Nur nix zu denken, zu planen, zu überlegen. Außer beim Punkte verteilen. Das ist so schön minimalistisch formuliert, dass es schon wieder eine Freude ist. So was mag ich, allerdings nicht, dass sich in der deutschen Übersetzung ein Fehler eingeschlichen hat. Ich muss deshalb übersetzen. Aus dem Englischen ins Deutsche und dann noch den Mario Barth geben: Mann – Frau! Minimalistische Sprache ist nix für Frauen. Für Sie jetzt die Wertung ...
Ne, das erwarten Sie jetzt doch nicht wirklich. Sie wissen doch gar nicht, wie DIXIT funktioniert. Erstmal muss ein Erzähler erkoren werden. Na, wer traut sich? Wenn keiner will, dann ich. Ich mach's kurz, schaue mir meine persönliche Bildkarten an, wähle davon eine und dann nur ein Wort: „Fieber“. Können Sie nix mit anfangen. Klar, Sie kennen nur Ihre eigenen schönen Bildkarten. Hallo, nicht träumen, auch wenn Ihre Karten noch so schön gestaltet sind. Groß und schön! Sie müssen mir schon zuhören, auch wenn ich keine Geschichte erzähle, keinen Hampelmann mache und Sie auch nicht mit meiner Dichtkunst traktiere. Hallo, ich sagte „Fieber!“ So bitte, suchen Sie sich jetzt unter Ihren Bildkarten eine aus, die möglichst gut zu meiner Aussage passt. Hab' ich alle Karten? Falls ja verdeckt mischen und schön in einer Reihe auslegen, das mache ich, ich bin ja der Erzähler. Keiner weiß mehr, welche Karte mir gehört. Oder doch? War die Beschreibung zu plakativ? Oder viel zu vage? Mist, jetzt wo ich die anderen Karten sehe, ist doch klar, welche Karte meine ist.
Mein Gott, das muss doch den Mitspielerinnen direkt ins Auge springen. Das wäre natürlich doof, denn jetzt kommt die Wertung - aufpassen jetzt, denn ich muss übersetzen: Würden alle meine Karte erkennen, bekäme ich gar keine Punkte und alle anderen zwei Punkte. Umgekehrt geht's genauso, falls meine Beschreibung zu abseitig ist und deshalb niemand meine Karte erkennt. Alle anderen bekommen wieder zwei Punkte, ich nix. Falls aber doch nicht alle, am besten nur eine oder einer meine Karte erkennt, dann bekommen jeder Wissenden und ich drei Punkte. Ein schönes Ergebnis. Außerdem erhält noch jeder, dessen Karte als meine benannt wurde, pro falscher Zuordnung ein Pünktchen. Die Häschen hoppeln vorwärts.
Das ist doch mal ein wunderschönes, sehr gut steuerndes Element. Die Punktevergabe hält das Spiel in der Balance, keiner darf zu abstrus oder zu offensichtlich spielen. Dazu fällt mir glatt wieder die sozialistische Planwirtschaft ein: Jedes Jahr müssen 100.000 Schuhe produziert werden. Was macht ein kluger Sozialist, wenn Leder knapp ist. Er produziert 100.000 Kinderschuhe. Ziel erreicht, Markt verfehlt. Das kann bei DIXIT nicht passieren, das Steuerungsinstrument der Punktvergabe passt perfekt zum Spiel. Diese Art der Punktevergabe kennen Sie sicher auch noch aus einem anderen Spiel. Ich hätte diesen Teuberschen und vorcatanischen Klassiker fast vergessen. Meine Gehirnzellen in Sachen alter Spiele sind schon so eingetrocknet wie die Knete aus diesem Spiel. Ist ja auch schon 21 Jahre her.
Wer was denkt, wird übrigens mit Plättchen entschieden, denn die ausgespielten Karten liegen offen in einer Reihe. Eine ganz vorne, die vierte, fünfte oder sechste Bildkarte am Ende. Jeder legt ein Abstimmplättchen verdeckt vor sich ab, gleichzeitig wird aufgedeckt. Dann schlägt die Stunde der Wahrheit. Stopp noch, einen kurzen Augenblick. Sie werden doch wohl nicht Ihren Chip neben „mein“ Bild legen, werden Sie doch nicht?! Sie kennen es doch gar nicht, oder doch? Neulinge und jüngere Mitspieler haben allzu oft die Tendenz, ihren Chip neben „mein“ Bild zu legen, ist ja auch zu verlockend. Also nehmen Sie es in den ersten Runden Ihren Kindern nicht übel, wenn denen so ein Lapsus unterlaufen sollte. Seien Sie lieber froh, dass das auch schon der Nachwuchs mitspielen kann. Es funktioniert sogar erstaunlich gut.
Und, was denken Sie? Liegt Ihnen diese Art Spiel? Können Sie ganz subtil ein Bild beschreiben, so subtil, dass nur einer oder zwei drauf kommen. Klar, ich sage Ihnen auch wie das geht. Wen kennen Sie besser aus der Runde? Wem können Sie einen Insiderhinweis geben? Wer kommt dann auch wirklich darauf? Es gibt keine Garantie, dass das auch funktioniert. Aber versuchen Sie ruhig, DIXIT taktisch zu spielen. Das wird vollkommen nebensächlich werden, denn DIXIT bietet viel mehr als nur schnödes Punktemachen.
Dafür ist es viel zu schön. Die Karten, die Gesamtgestaltung hat eigentlich noch jeden meiner Mitspieler überzeugt, es wenigstens auszuprobieren. Es ist dann meistens nicht bei einer Partie geblieben. Auch nicht in reinen Männer- oder Frauenrunden. So ein feminines Spiel spricht tatsächlich auch den Mann im Spieler an. Oder sind Sie keiner? Können Spiele überhaupt feminin sein?
Lassen Sie mich noch eine Anmerkung machen ... macht unser neuer Außenminister auch. Dieses Spiel schreit nach neuen Karten. Ich wünsche mir dann aber eine andere Illustratorin oder Illustrator. Nicht dass die Bilder von Marie Cardouat nicht gelungen wären, aber Abwechslung würde das Spiel bereichern. So wie beim ORIGINAL MEMORY, bei dem verschiedene Grafiker sehr unterschiedliche Kärtchen beigesteuert haben. MEMORYs mit sehr gleichförmiger Grafik nutzen sich nämlich sehr stark ab. Genau das ist das Geheimnis, warum es das ORIGINAL MEMORY schon so lange gibt. Und ein langes Leben wünsche ich auch DIXIT.
Wolfgang Friebe
Spiel des Jahres 2010 ? :)
AntwortenLöschenWenn eine Fraktion innerhalb der Jury sehr stark für Dixit ist (potenziell die Damen ;-), die andere aber für Identik, dann trifft man sich bei A la carte.
AntwortenLöschenAlso meine Jungs finden Dixit auch cool. Phantasie ist eben nicht nur Mädchensache! :-)
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