Montag, 2. November 2009

Rezension: Einauge sei wachsam

Wer hat Angst vor 'nem kleinen Gnom

Uuuuh, da hab' ich aber Angst! Nein wirklich, der Kerl sieht richtig gefährlich aus. Genau so wie die Jungs am Horn von Afrika. Total! Deshalb machen wir Seemänner uns so doll in die Hose, vor lauter Lachen. So ein knubbeliges, kurzbeiniges Wesen, wer nimmt das schon ernst? Da kann man sich vor lauter Lachen nur ordentlich be... Und überhaupt, die Korkenpistole. Und erst recht der rote Rahmen, die blaue Schachtel. Und wenn schon barockes Klischee, warum hat der Jung' dann kein Holzbein? Wenn schon Pirat, dann bitte komplett. Nur der Papagei reicht da nicht.
Die Verpackung ist ja so was von in die Hose gegangen. Aber was stören einen echten Spieler Verpackung oder Thema? Darüber sehen wir doch hinweg, oder? Das Spielmaterial ist immerhin funktional und längst nicht so hässlich, das ist doch echt was wert. Wenn dann noch die Inselkarten in der richtigen Reihenfolge erscheinen, in der Folge, die nur mir – mir ganz allein – nützt, dann wird mir EINAUGE bestimmt gefallen.
Überhaupt die Inselkarten. Die bringen einem Dukaten, Säbel und Juwelen. Legt man eine Karte zu einer farbgleichen Reihe, klingelt es in der Kasse. Alle Karten dieser Farbe werfen erneut ihren Ertrag ab. Das ist schön, das führt zu Erfolgserlebnissen. Was man mit dem Erlös anstellt, kann man groß überlegen, braucht man aber nicht. Dukaten braucht man eigentlich immer, denn man muss mindestens eine Karte der Auslage kaufen. Darum kommt man nicht herum; das Ersäbeln einer Karte von Einauges Piratentisch ist optional – aber immer wünschenswert. Kommt man so doch an eine weitere Inselkarte, die wieder eine Auszahlung auslöst. Da beschränkt man sich doch gerne auf zwei, drei lange Farbreihen. Dann läuft es wie geschmiert ... bei passendem Nachschub. Wer nicht an genügend Säbel kommt, kommt deshalb auch an weniger Inselkarten. Ein Teufelskreis, den man garantiert früher oder später erleben wird. Da kriegt man dann lange Zähne. Vor den anderen liegen mehr Inselkarten. Außerdem: Aus jedem Dorf ein Köter macht bestimmt nicht glücklich.
Gut, man kann sich mit billigen Inselkarten abgeben, die einem nur Truhen, vorerst aber nix anderes bringen. Aber ... wer am Ende die meisten Truhen einer Farbe besitzt, wird mit sieben Juwelen belohnt. Und nur die zählen. Ich lege durchaus gerne Schatztruhen in meine Reihen, löst doch jede, auch noch so billige Karte, eine Ausschüttung aus. Dann poltern mir vielleicht genau die zwei fehlenden Säbel in den Schoß, mit deren Hilfe ich sofort eine weitere Karte ersäbeln kann.
Was am Zugende immer erfolgt: Man muss eine Karte aus der Auslage auf Einauges Tisch legen, dann wird die Auslage ergänzt. Natürlich lege ich gerne Inselkarten mit Säbelertrag auf den Tisch, denn dann muss man sich diese Karte statt mit drei mit sogar vier Säbeln erkaufen. Nur so macht man es den lieben Mitspielern richtig gemütlich.
Und dann kommt das Ende, für viele ein Höhepunkt, für einen ein Fiasko. Wer eine Schlusskarte aufdeckt, ist gelackmeiert. Alle anderen dürfen nochmal ran. Da die Schlusskarten allesamt Joker sind, hagelt es ein letztes Mal Säbel, Dukaten oder Juwelen. Säbel werden gerne genommen, denn die allerletzte ist eine Säbelrunde. Auf den Verlag hagelte es daraufhin Proteste. Unfair sei das. Und unnötig, einen Spieler so zu benachteiligen. Ich hab's nie so empfunden. Zum einen hat es mich noch nie getroffen, zum anderen: Wer kommt schon jede Runde an zwei Karten? Das ist viel unfairer, aber genauso ist es von den Autoren angelegt.
Es gibt eine neue Regel, die zumindest das unfaire Spielende ausmerzt. Amigo ist anscheinend bemüht, jedes noch so kleine Stolpersteinchen aus dem Weg zu räumen. Vielleicht hat ihnen ja schon jemand vor mir verraten, dass das Spiel durchaus Potenzial hat: „Spielt sich schöner als es aussieht“ habe ich schon in der letzten Fairplay geschrieben. Dabei bleibt's, aber die Quote von 14:3 würde ich auf 3:1 herauf setzen. Sicher ist sicher! Dafür kam EINAUGE SEI WACHSAM in sämtlichen meiner Spielkreisen viel zu gut an.

Wolfgang Friebe

EINAUGE SEI WACHSAM von Wolfgang Kramer und Michael Kiesling für 2 bis 5 Personen


Fragen an Wolfgang Kramer

(wf) Was sagen Sie zum Piraten? Gefällt er Ihnen?
(wk) Der Pirat und das Cover wirken etwas zu kindlich für das Spiel. Da das Spiel relativ einfache Regeln besitzt und das Spiel von uns in erster Linie als Familienspiel gedacht ist, hat uns das Aussehen des Piraten nicht gestört.
(wf) Was sagen Sie zur Säbelstrategie? Kann man nur mit Säbeln gewinnen?
(wk) Ich kann es mir jetzt einfach machen und sagen, wenn die Mitspieler es zulassen, dann kann man mit der Säbelstrategie gewinnen. Aber Ihre Frage zielt natürlich darauf ab, ob die Säbel eine Gewinnstrategie sind, die man unbedingt anwenden muss, um zu gewinnen. Dies ist nicht der Fall. Wer allerdings überhaupt keine Säbel nimmt, der wird sehr wahrscheinlich nicht gewinnen. Am besten hat sich in unseren Tests die Mischstrategie bewährt. Wir haben nach unseren Tests immer die Karten gezählt, die ein Spieler vor sich liegen hatte und dabei kam heraus, dass nicht immer der Spieler gewinnt, der die meisten Karten besitzt. Die meisten Karten besitzt in der Regel der Spieler, der die meisten Säbel hatte.
(wf) Was sagen Sie zur Regeländerung? Ist sie erforderlich?
(wk) Die Regeländerung war für uns Autoren keine Änderung, weil wir immer so gespielt haben. Aus unerfindlichen Gründen ist die Regel, nachdem wir Autoren und der Redakteur sie verabschiedet hatten, nochmals geändert worden, vielleicht wurde auch eine alte Fassung erwischt.

Zuerst veröffentlicht in der Fairplay


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Vielen Dank für Ihren Kommentar.

Nur noch einen (kurzen, längeren, langen) Augenblick, dann schalte ich Ihren Kommentar (bestimmt, vielleicht, nie) frei.

Gänzlich anonyme Kommentare veröffentliche ich nicht.