Uwe Rosenberg: COTTAGE GARDEN für 1 bis 4 Spieler mit Illustration von Andrea Boekhoff_REDLINE bei Edition Spielwiese 2016
Ganz großes Herz-Kino
Am Abend vor der Messe hab' ich's gesehen. Da saßen sie um einen Tisch vor dem Stand der Spielwiese und schnibbelten und klebten, was das Zeug hielt. Tja, ist wohl des Erstverlegers Schicksal, Schicksalsschläge zu ertragen. Was ist in die Bux gegangen? Die Randleisten auf Vorder- und Rückseite des Spielplans waren gleich, als die Spiele auf der Messe ankamen … und das hätte so nicht sein sollen. Irgendwie hat der Verlag das wohl vorher schon spitz bekommen, die passenden Aufkleber mitgebracht, um den Fehler zu beheben. Ich hab' dann selbst die doppelte Seite richtig beklebt. Eine Seite ist jetzt für ein, zwei oder drei Spielerinnen und Spieler. War gar nicht so schwer und fällt auch kaum auf.
Das Thema ist natürlich herzallerliebst. So ein COTTAGE GARDEN ist doch der Traum aller Herz-Kino-Zuschauer, die sonntags statt Tatort lieber im ZDF Rosamunde Pilcher oder Katie Fforde schauen. Eigentlich fall' ich als eingeschworener Tatort-Schauer aus der Zielgruppe raus, aber ich habe drüben in UK schon so einige schnuckelige Cottage Garden gesehen. Hortensien und anderes Geblüm rund um geduckte Häuschen mit Reetdächern. Cottages sind so lange hübsch und wunderbar, wie ich nicht reingehen muss. Dann renne ich mir üblicherweise den Kopf ein. Aufrecht stehen kann ich bestenfalls zwischen den Deckenbalken. Und wenn ich mich im Cottage bewege, muss ich regelmäßig nicken. Und deshalb musste ich neben den vielen älteren weiblichen Zuschauern des ZDFs ein COTTAGE GARDEN haben. Ich habe nämlich sofort reflexartig genickt, als meine Frau vom Spiel mit Cottages erzählte. Zum Glück wird im Freien gearbeitet, da werde ich mir schon nicht den Kopf stoßen.
Jeder von uns bearbeitet zwei Beete, eines mit heller Erde und mehr Tontöpfen, eines mit dunkler Erde und mehr Pflanzglocken. Dass es so etwas gibt, habe ich vorher nicht gewusst. Und wie die Dinger in Realität aussehen, musste ich googeln. Auf jeden Fall ein hochpreisiges Utensil für städtische Landfrauen, so man welche aus Glas haben will.
Auf jeden Fall müssen wir diese Beete komplett bepflanzen, ohne dabei Tontöpfe oder Pflanzglocken abzudecken. Ist ein Beet voll, gibt’s dafür Punkte. Zwei für Pflanzglocken, einen pro Tontopf. Mir sind die Tontöpfe einfach sympathischer, zumal die optisch auch viel realistischer aussehen. Das blöde ist nur, dass Tontöpfe nur in Einerschritten, Pflanzglocken in Doppelschritten auf die 20 Punkte zugehen. Und der Schritt auf die 20 ist bei Tontöpfen nur fünf, bei Pflanzglocken sechs Punkte wert. Da sollte man sich schon auf Pflanzglocken fokussieren, zumal der erste mit 20 Punkten mit zwei Bonuspunkten belohnt wird.
Und wie füllt sich nun das Beet? Dafür gibt’s den Gärtner, der außen um ein 4x4-Feld läuft. Das ist ein schnöder grüner Würfel, der die Spalte bzw. Zeile, aus der ich nehmen darf, gleichzeitig auch die verbleibenden Runden anzeigt. Für mich ist also bestenfalls eines von vier, manchmal auch von drei Blumenbeet-Polygonen. Liegt da keines oder nur eins, werden Fehlstellen mit Blumenbeeten aus der Schlange vor der Schubkarre aufgefüllt. Ich könnte auch eine Katze abgeben, um das Teil vor der Schubkarre zu nehmen. Mehr Auswahl, mehr Möglichkeiten. Und die Teile sollten Sie aus PATCHWORK kennen, nur das hier Pflanzen und mitunter auch Tontöpfe oder Pflanzglocken abgebildet sind.
Natürlich könnte ich mir Gedanken darüber machen, welches Teil ich wohl als nächstes bekommen kann. Manche sind sicher, manche können mir die Mitspieler wegnehmen. Ich kann mich aber zurücklehnen und einfach abwarten. Erst wenn ich an die Reihe komme, nehme ich eines der Teile. Vielleicht gleiche ich noch ab, wem eines wohl besonders wichtig ist. Ich nehme sowieso dann das, was mir aktuell am sinnvollsten erscheint. Irgendwas passt immer. Hab' ja auch zwei Beete. COTTAGE GARDEN ist herrlich relaxed, eben so wie ein Film von Katie oder Rosamunde verläuft. Wenn's auch nicht immer hundertprozentig klappt, ein Happy End wird garantiert, zumal man für das Füllen des Beetes zwei weitere Aktionen hat.
Statt ein Polygons vom Spielfeld darf man auch einen Blumentopf nehmen. Der ist genau ein Feld groß, zählt am Ende einen Punkt extra und füllt so jede Lücke, die bei PATCHWORK kaum mehr zu schließen ist. Und will man eine Wertung unbedingt herbei führen, weil das gerade freie einzige Beet so lukrativ viele Pflanzglocken hat, darf man auch mit Katzen nachhelfen. Ach Katzen! Die gehören einfach zu den Cottages. Komisch eigentlich, dass die abgebildeten Katzen mich eher an Engerlinge erinnern, die ich so eingerollt bei mir im Garten immer aus der Erde hole und dem wartenden Rotkehlchen zum Fraß vorwerfe. Wer genau hinschaut, erkennt aber wirklich ein-Feld-große eingerollte Katzen. Wirklich?! Bei einigen Plättchen schon … Es geht ja ums Wohlfühlen und nicht um Schädlinge. Katzen bekommt man erst wieder zurück, wenn man bestimmte Wertungen überschritten oder alle drei Wertungssteine für Tontöpfe oder Pflanzglocken ins Spiel gebracht hat. Katzen sind schon recht nützliche Viecher, wenn auch nur als Lückenfüller.
Haben wir's? Die Regel macht es ein bisschen kompliziert, nicht nur wegen der zu vielen Wörter und dem Dreck in den Falzen. Was mich erst in Verwirrung und dann in Besorgnis gestürzt hat, ist die Schlussregel. Wenn der Gärtnerwürfel die Eins zeigt und das Zielfeld erreicht hat, ist Schluss. Aber nur für diejenigen, die auf ihren Beeten eine oder zwei Blumenpolygone haben. Die dürfen ihre Beete abräumen. Alle anderen müssen solange weiterspielen, bis auch ihre Beete komplett sind, allerdings gibt’s pro Runde zwei Minuspunkte. Ich hab' da große Gefahr gewittert, wollte ich unbedingt vermeiden. Und siehe, das klappt in der Regel eher automatisch. COTTAGE GARDEN ist auch da ganz mitfühlend positiv, optisch bis auf die engerlingschen Katzen und die komischen Pflanzglocken sehr sympathisch. Ganz großes Herz-Kino also.
COTTAGE GARDEN ist für mich tatsächlich wie jeder dieser sonntäglichen Filme im ZDF. Man weiß, was kommt. Die Wirrungen lösen sich auf und am Ende sind alle glücklich. Ist ja nicht das Schlechteste, aber bis es dahin kommt, muss ich wirklich zu lange aushalten. Ich guck ja deshalb sonntags nie ZDF, alles zu vorbestimmt. Der Tatort ist immer spannender, und PATCHWORK auch. Das kann beides auch mal böse enden. Und die Fairplay ist zum Glück nicht die Landlust oder wie auch immer all diese Magazine für städtische Landfrauen heißen. Das Spiel hat schon seine Zielgruppe. Landleben ist in. Hoffentlich wird es in der Landlust positiv besprochen. Das hätte COTTAGE GARDEN wirklich verdient. Ich schaue mir zukünftig eher ein echtes Cottage an, am liebsten nur von außen. Die Gärten sind meistens sehr prächtig. Da kann ich dann wirklich aus gutem Grund zustimmend nicken.
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