Sonntag, 24. August 2008

+ Kingsburg

Ein einfaches Spiel!?

Wie sieht's denn bei Ihnen aus? Mit Anspruch und Können? Geht das bei Ihnen immer auf? Ist Ihr Können so immens, dass kein Anspruch groß genug sein kann? Je komplexer, desto besser?! Sind Sie gar ein Kramer-Hasser und finden einfache Spiele per se schlecht? Oder sind Sie das Gegenteil davon? Glaub' ich kaum, denn sonst wären Sie kein Abonnent, und Spiele von abseitigen Verlagen würden Sie sowieso nie spielen, geschweige denn kennen.
Und wenn's zudem ein Würfelspiel wäre? Ist das unter Ihrem Niveau? So wie UM KRONE UND KRAGEN? Nicht dass ich jetzt UM KRONE UND KRAGEN mit KINGSBURG vergleichen will, ersteres ist wirklich grottig – aber es gibt schon gewisse Parallelen. Zum Beispiel, dass man sich die Unterstützung von 16 königlichen Beratern, der Königin oder des Königs sichert. Man muss drei Sechsseiter würfeln und entweder einem, zwei oder drei Beratern zuordnen. Jeder Berater hilft nur einem Spieler, weshalb die größten Pechvögel zuerst an die Reihe kommen. So kommt man an Rohstoffe – Holz, Gold, Stein - an Söldner, an Bonuschips und Siegpunkte. Je höher das Würfelergebnis, desto besser die Erträge – logisch. Aber auch Kleinvieh macht Mist ...
In jeder der fünf Runden sind die drei Produktionsphasen, in denen die Würfel das Sagen haben, der Kern des Spiel. Mit den erwürfelten Rohstoffen kann man eines der 20 Gebäude errichten, um erstens an Siegpunkte zu kommen und zweitens deren Sonderfunktionen zu nutzen. KINGSBURG ist auch ein Entwicklungsspiel. Welche Gebäude sind wichtig, welche unverzichtbar? Fünf unterschiedliche Gebäudetypen stehen zur Auswahl. Einige bringen nur (viele) Siegpunkte, andere zusätzliche Einkommen oder Verteidigungskräfte, wieder andere helfen beim Bauen. Da brauchte es ein, zwei Spiele, um die „richtigen“ Gebäude für eine nachhaltige Strategie auszuwählen.
KINGSBURG ist klar strukturiert, was natürlich zur Folge hat, dass in jeder der fünf Runden immer dasselbe abläuft. Das macht das Spiel einfach, aber auch eingängig. Damit wird KINGSBURG fast jedermanns Anspruch gerecht und setzt sich der Missbilligung der anspruchsvollen Spieler aus, zumal ein Würfelwurf am Ende jeder Runde darüber entscheidet, ob die Angreifer was auf die Mütze bekommen oder nicht. Da muss man sich gar nicht so sehr anstrengen und auf Verteidigung spielen, wenn dank des Würfels sechs königliche Soldaten die Gebäude verteidigen. Gerade in den ersten Runden kann man darauf bauen. Aber es kann – wie im Leben – so oder so ausgehen. Man hat nicht in Verteidigung investiert, und plötzlich stehen in Runde fünf Dämonen vor der Tür und der feige König schickt nur einen Soldaten. Wer den Kampf nicht besteht und ein Gebäude abreißen muss, steht dumm da, denn es trifft immer das wertvollste Gebäude. Wer im letzten Kampf seine teuer erkaufte Kathedrale und damit neun Siegpunkte verliert, wird das Spiel verteufeln. Elendes Glücksspiel! Glücksspiel ja, aber man hätte auch konservativ spielen können. So wie ich. Ich baue möglichst Wachturm, Schmiede, Kneipe, Markt, Kaserne, Gilde der Zauberer und zwischendurch die Kirchenreihe. In 15 Produktionsphasen schaffe ich so – wenn's gut läuft – mindestens 10 Gebäude. Und wenn nicht, dann muss ich umplanen, neu überlegen, mein Können beweisen. Vielleicht spiele ich dann doch mal auf die unterste Baureihe – Barrikade, Kran, Rathaus und Botschaft. Mit der Botschaft erhalte ich ab der vierten Produktionsphase für die restlichen 11 je einen Siegpunkt. Das ist nicht wenig, zumal man es sich nicht erlauben kann, allzu oft aufs Bauen zu verzichten. Nachhaltiges Spiel ist angesagt, Siegpunkte für Gebäude sind wichtig. Oder nehme ich doch mal den Bauernhof? Dafür gibt’s in jeder Produktionsphase einen Würfel mehr, aber auch einen Verteidigungspunkt weniger.
Nun wird mancher sicher sagen, dass das Spiel nach einer gewissen Zeit ausgelotet ist. An diesem Punkt bin ich noch lange nicht, denn KINGSBURG unterhält mich immer noch gut. Zugegeben, es ist schon ein Glücksspiel, aber gerade diese Mischung aus Glück und Taktik mit einem Hauch von Strategie reizt mich zu neuen Partien. Meine Mitspieler auch. Die haben mich sogar ausdrücklich nach diesem Spiel gefragt. Ist deren Anspruch etwa beschränkt, weil sie ein einfaches Spiel gut finden? Kaum! Gute Spiele sind gut, weil sie gut sind – nicht weil sie einfach und von jedermann zu begreifen sind. Und wenn die Qualität sogar so gut ist, dass man 90 Minuten mit einem Würfelspiel zubringt, dann heißt das schon was.

Wolfgang Friebe

KINGSBURG von Andrea Chiarvesio und Luca Iennaco für 2 bis 5 Personen, Truant + Stratelibri + Ulisses Spiele 2007, zuerst erschienen in Fairplay 83


Zuerst veröffentlicht in der Fairplay

Zuerst veröffentlicht in der Fairplay 83

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