Samstag, 16. Juni 2007

+ Portobello Market

Dieses Viertel gehört mir!

Der Plan
Bei diesem Spiel müssen Sie genau hinschauen. Nicht wegen der gut gemachten Schachtel und dem gelungenen Spielbrett. Schachtel und Brett sind so wie man es erwartet: sehr Englisch, sehr Thurn und Taxisch, sehr Säulig und Erdig, eben sehr Menzelig. Aber das Besondere sind die Marktstände. Nehmen Sie doch mal so einen Stand zwischen Ihre Finger. Fällt Ihnen was auf? Wirklich nix?! ... dann schauen Sie sich die Stirnseite der Bude genau an. Immer noch nix? Oder kommt jetzt das große Aaah: Mit der Standfläche nach unten sieht es ja aus wie eine Schiene - quer durch geschnitten – nur oben etwas spitz geraten. Ein Eisenbahnspiel? Naja, eigentlich nicht, aber die Stände könnte man in einem anderen Spiel schon für Waggons halten, die die Städte A und B verbinden.

Nein, so ist es ja nicht, das Thema ist ein ganz anderes und ich verbiete mir auch jede Assoziation in diese Richtung. Schließlich lag ich ja auch schon mit meiner Einschätzung von ZUG UM ZUG total daneben. Wie der Titel schon sagt, hier geht um die besten Plätze auf dem PORTOBELLO MARKET. Sie und ich sind Marktbeschicker, bauen Stände in den verschiedenen Straßen von Portobello auf. Wo entscheiden wir und ein Bobby, wie viele gibt ein Aktionsplättchen vor. Vier, drei, zwei Aktionen stehen zur Verfügung. Sind alle Plättchen abgearbeitet, bekommt man alle wieder zurück und das Spielchen beginnt von vorn.

Watt nu? Wo steht überhaupt der Bobby? In einem der 12 Viertel, jedes ist von drei Straßen eingerahmt. Und in den Straßen des Viertels, in dem der Bobby steht, dürfen wir Buden stellen. An den Anfang der Gasse, oder wenn schon vorhanden, an andere Buden. In einigen sind die Stände am Anfang, in anderen Gassen in der Mitte lukrativer. Und wenn man will, darf man den Bobby noch in ein anderes Viertel bewegen, was keinen Aktionspunkt kostet. Allerdings einen Siegpunkt – in die Kasse, falls noch keine Bude in der überschrittenen Gasse steht, man selbst die Mehrheit an Ständen beteiligt ist oder an den Besitzer der meisten Stände der Gasse. Aber das ist nur Kleckerkram und dieses Hin- und Hergeschiebe der Siegpunktmarker überflüssiges Beiwerk. Vergessen Sie's doch einfach ... im Verhältnis zu den „richtigen“, weil vielen Punkten, sind die paar Siegpunkte plus oder minus nur Peanuts. Schicken Sie den Bobby ruhig dahin, wo Sie wollen. Die Kosten sind marginal.

Wegen der Ungleichgewichtung der Gassenfelder sollte man schon etwas weiter denken. Wenn man selbst die lukrativen Felder am Anfang besetzt und die geringwertigen Felder den Mitspielern überlässt, darf man sich nicht wundern, wenn niemand mehr Stände dort errichtet und man allein daran weiter werkeln muss. Denn nur wenn eine Gasse komplett mit Ständen bebaut ist, besteht die Chance auf eine Wertung. Die beiden Plätze, am Anfang und Ende der Gasse, müssen mit je einem Kunden aus dem Beutel bestückt sein, dann gibt es Punkte. Es gibt zwei Klassen von Kunden: graue Gehilfen sind schlechter als pinke Bürger. Steht ein Gehilfe am Anfang und ein anderer am Ende der Gasse, zählt nur der einfache Wert der Stände. Rechnen Sie Strich vor Punkt. Sind es jedoch zwei Bürger, wird verdreifacht. Fünf Gehilfen und fünf Bürger sind im Sack, 11 Plätze gibt es. Erst wenn alle aus dem Sack heraus sind, erscheint der Lord auf dem letzten freien Platz und gibt noch mal einen schönen Bonus für die letzten noch ungewerteten und auch nicht kompletten Gassen. Aber es ist nicht gesagt, dass der Lord immer erscheint.

Das Spiel kann schon eher zu Ende sein, nämlich dann, wenn jemand seinen letzten Stand errichtet hat. Und oh Wunder, in Ihrer allerersten Partie werden bestimmt kaum Kunden aufgestellt. Damit schafft man nur den lieben Mitspieler Vorlagen, da drei bis sechs Gassen von jedem Platz abgehen. Da will wohl abgewogen sein, ob man zieht und wohin man Bürger oder Gehilfen stellt. Aber sparen Sie sich diese Überlegungen ruhig, denn so richtig absahnen kann man besser anders, und ganz besonders, wenn einem die Straßen um ein Viertel komplett überlassen werden. Statt Stände oder Kunden zu platzieren, kann man einen Aktionsmarker in einem Viertel ablegen. Mit dem Marker zählen die Stände zwei- bzw. vierfach. Alles andere verblasst dagegen.

Also merke: Konsequent darauf hinbauen ein Viertel mit eigenen Ständen zu umzingeln, die Mitspieler damit übertölpeln. Vielleicht findet sich sogar ein dummer Mitspieler, der aus falsch verstandener Spielbalance dagegen hält. Aber wer findet sich dafür? Oft lässt man es einfach laufen, wohl wissend des kommenden Punkteregens. Spielt man tatsächlich trotzdem dagegen, ist das wie ein Kampf gegen Windmühlen. Man hat ja nix davon. Der Anreiz dagegen zu spielen ist zu gering. Sind die Stände erstmal alle in fremder Hand, ist alles schon gelaufen. Da lohnt es sich auch nicht mehr, ein eigenes Aktionsplättchen in das Viertel zu legen. Wofür? Nur um dem Gegner den Platz dort weg zu nehmen – wer macht das schon, das ist ein ganz und gar sinnloses Opfer. Eingesetzte Plättchen werden durch ein neue Aktionsplättchen ersetzt. Je früher man sich für diese Aktion entscheidet, desto höherwertig ist das Ersatzplättchen, allerdings darf man das dann nicht wieder in ein Viertel legen.

Alles klar?! Aktionsplättchen wählen, vielleicht einen Kunden ziehen oder Plättchen in ein Viertel legen. Bestimmt auch noch den Polizisten bewegen. Und irgendwie bin ich deshalb wieder bei ZUG UM ZUG. Vor der ersten Partie hat mich dieses Spiel überzeugt. Material, Thema – alles passend. Nach den ersten, schnell gespielten Partien war ich doch enttäuscht. Wie gerne hatte ich auch PORTOBELLO MARKET besser gefunden. Aber es bleibt eindimensional, die Optionen liegen zu klar auf der Hand. Die Möglichkeiten haben Sie doch noch drauf? ... ich barbiere die Mitspieler über den Löffel und bauen ein komplettes Viertel mit meinen Ständen zu. Richtig freuen kann ich mich über so einen Sieg nicht, und wenn ich in der Mitte anfange, haben die anderen sowieso keine Chance mehr. Wenn das alles ist?! ... keine zweite Ebene, die man bedenken muss, nix, niente.

Und doch wird es mir ob dieser Einfachheit vielleicht noch so gehen wie mit ZUG UM ZUG. Je öfter ich ZUG UM ZUG gespielt habe, desto mehr Tiefe habe ich entdeckt, allerdings eher sehr destruktive. Statt auf die Erfüllung vieler oder großer Aufträge zu spielen, habe ich nur die beiden ersten möglichst kleinen Aufträge erledigt, mich dann konsequent auf die großen Sechser-Strecken gestürzt und die anderen wo es nur geht behindert. Wie wär's mit einer ähnlichen Strategie für PORTOBELLO MARKET: Zu viert muss ich nur 16 Stände auf's Brett bringen, das schaffe ich eigentlich in fünf Zügen. Ich gönne mir sechs, denn im fünften Zug lege ich mein Aktionsplättchen mit dem Verdoppler noch in ein von mir beherrschtes Viertel. Wollen doch mal sehen, ob die Punkte der anderen reichen, mir den Sieg zu nehmen ... so schnell wie das Spiel dann zu Ende ist.

Wolfgang Friebe

PORTOBELLO MARKET von Thomas Oldenhoven für 2 bis 4 Personen, Schmidt Spiele 2007, Spielejahrgang 2006/2007


Zuerst veröffentlicht in der Fairplay

2 Kommentare:

  1. Hi!

    Euch ist aber schon bewusst, dasss bei einer Viertelwertung jeder Marktstand nur 1 Punkt zählt und nicht den Wert seines Stellplatzes.

    Also: Erst Anleitung nicht lesen, dann groß rumtönen

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  2. Schon klar, die Viertelwertung ist trotzdem übermächtig.

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