Heute schon abstrakt gepunktet?
Ist ja klar, dass sich wieder ein Ypsilon im Namen findet. Alles andere wäre auch total unerwartet. So wie die Grafik. Die ist in gewisser Hinsicht yßergewöhnlich. Nicht dass sie schlecht ist, sie ist nur so ynders. Sind wir schon so festgelegt, so an den hiesigen Stil der Vohwinkels, Lieskes und Menzels gewöhnt, dass wir jede Abweichung als hässlich empfinden? Müssen wir uns deshalb über diese Grafik mokieren? Oder sind wir doch die toleranten, verständigen Spieler, die den Wert eines Spieles nicht anhand seiner Grafik beurteilen? Sind Sie und ich die beiden einzigen? Ich kann Sie beruhigen, sind wir ganz gewiss nicht, denn die Jury ist derselben Meinung. Wenn sich diese Experten schon trauen, das yßergewöhnliche METROPLYS auf ihre Empfehlungsliste zu setzen, dann können wir auch zu unserer Meinung stehen. METROPOLYS ist gut, auch wenn man Anfangs gar nicht so weiß, was man machen soll.Einige meiner Mitspieler wissen es doch, noch vor ihrem ersten Zug, bevor überhaupt eine Entscheidung fällt. Sie müssen stöhnen, können gar nicht anders. Laut, vernehmlich, aus dem tiefstem Inneren. Denn wie soll ein blutiger Anfänger abschätzen, wie sich die Partie entwickelt, wo welche Gebäude errichtet werden und wer wo welche Interessen verfolgt. Null Informationen am Anfang führt geradewegs zu geräuschvollem Stöhnen über die gefühlte Unplanbarkeit. Es ist zwar noch gar nichts auf dem Brett passiert, aber das Stöhnen ist uns gewiss. Die Partie muss sich erst entwickeln, dann lässt sich auch was planen. Ob sich dann auch alles umsetzen lässt, steht auf einem anderen Blatt. Deshalb lässt es sich übrigens auch prächtig stöhnen.
Schon auf den zweiten Blick wird es sonnenklar, METROPOLYS ist ein abstraktes Spiel – auch wenn es vordergründig um Gebäude geht. Wir sind Architekten und mit uns lebt Fritz Langs Metropolis wieder auf. Fünf Stadtteile mit jeweils ganz vielen Vierteln, fein säuberlich durch Kanäle getrennt, mit Brücken verbunden und mit Statuen und Seen geschmückt. 13 Gebäude kann jeder errichten, bestenfalls und natürlich möglichst punkteträchtig. Die Steine sollen auf die lukrativsten Viertel. Jeder weiß, was Punkte bringt. Die beiden eigenen Auftragskarten, eine für ein Viertel, eine für bestimmte Gebäudekombinationen, bleiben geheim. Der eine will auf grünen Feldern und/oder rund um die Statuen bauen, der andere auf roten Feldern und/oder rund um die Seen. Aber das weiß erstmal kein anderer. Für jeden ersichtlich ist die Verteilung von Bonus- und Malus-Chips auf dem Brett ... da wird man wo es geht sicher einen Bonus-Chip abgreifen. Seine eigenen Ziele muss man konsequent verfolgen, jeder wertvolle Stein auf einem unbrauchbaren Feld, ist vergeudet.
Und gerade die hohen Steine sind besonders wertvoll, denn die wird man viel einfacher in einem Viertel unterbringen. Mit den niedrigen hat man mehr Mühe. Und nicht nur die Werte sind niedriger, den kleinen Steinen fehlt es faktisch an Höhe. Drei Gruppen – mit unterschiedlichen Höhen – hat jeder von uns. Und einer fängt irgendwo an, platziert einen seiner Steine – Höhe egal. Das kann tatsächlich irgendwo sein – jedenfalls zu Beginn, denn wo wirklich gebaut wird bzw. werden kann, ist noch gar nicht sicher. Die nachfolgenden Spieler können nämlich überbieten, mit einem höherwertigen Stein, der auf ein angrenzendes freies Viertel kommt. Nur der höchste Stein bleibt stehen, alle anderen kommen wieder zu ihren Eigentümern zurück. Wenn ich gleich zur Dreizehn greife, haben die anderen keine Chance mehr. Einen höheren Stein haben sie nicht, ich sichere mir ein Grundstück, und muss für den Rest des Spiels auf die wertvolle Dreizehn verzichten. Groß und schön steht mein Stein in METROPOLYS. Hauptsache, das Feld auf dem er steht, ist wichtig genug.
Ich beginne wieder irgendwo und die anderen überbieten oder eben nicht. Plötzlich fällt es wie Schuppen von den Haaren, METROPOLYS ist doch kniffliger als man bei dem banalen Anfang gedacht hat. Das Spiel hat seine Stärke eindeutig im Mittelspiel. Gerade dann erfordert es sorgfältiges Nachdenken, sonst hagelt es Steilvorlagen für den nächsten Spieler. Schludriges Spielen duldet METROPOLYS keinesfalls, verleidet einem sogar das Spiel ... falls man nicht gerade davon profitiert. Mitpieler mit sehr unterschiedlicher Spielstärke stören die Balance - es gibt keine Würfel, kein Glück schafft Ausgleich für Patzer. Es gibt wirklich was zu überlegen. Man kann sich selbst gut Vorlagen schaffen, besonders wenn man noch hohe Steine hat und die anderen ihre schon verbraten haben. Wer sich also anfangs zurück hält, hat später gute Chancen. Wer von den anderen immer überboten wird, schaut längere Zeit zu. Möglicherweise geht METROPOLYS zu Ende, ohne dass man selbst noch aktiv werden darf. Wer seine Mitspieler so unter der Knute hält, sie längere Zeit gar nicht ins Spiel kommen lässt, kann punkten. In erster Linie natürlich wegen der Mitspieler, die es dazu überhaupt erst kommen ließen.
Ein Situation ist mehr als typisch und betrifft die Halbinseln, also jene Viertel, die in die Seen hineinragen. Wer immer auf dem Feld davor bauen kann, darf quasi kostenlos auch noch die Halbinsel bebauen, denn die hat keine Nachbarviertel. Das einzige Nachbarfeld ist ja gerade bebaut worden. So eine Vorlage wird gerne mit einer Eins bebaut, besonders wenn die Farbe der Halbinsel mit der Auftragskarte identisch ist. Und die Eins muss man los werden, sonst kann man das Spiel nicht beenden. Sackgassen funktionieren so ähnlich und sind dementsprechend beliebt, jedenfalls bei fortgeschrittenen Mitspielern.
Man kann schon steuern, wohin die Reise bzw. das Bauvorhaben geht. Wenn rundherum gar kein Feld mehr frei ist oder nur noch Malus-Chips liegen, dann ist vorausberechenbar, was passieren wird. Meistens jedenfalls, wenn man die Spielweise der Mitspieler einschätzen und sich auch darauf verlassen kann. Wird A einen Malus-Chip nehmen, hat B überhaupt ein Interesse an dem Feld, spart C seine hohen Figuren noch für später. Oder spielt C eher aus dem Bauch und macht das Spiel damit unkalkulierbar?
Neben der situationsbedingten Taktik haben allerdings auch die Auftragskarten deutliche Auswirkungen. Es gibt eine Auftragskarte, die ist sehr schwierig zu erfüllen. Auf den drei Vierteln rund um eine Statue Häuser zu bauen, bringt sieben Punkte. Das ist aber kaum, höchstens ein Mal zu schaffen. Da ist die Karte, die jeweils drei Gebäude in einem Stadtteil fordert, geradezu läppisch einfach zu erfüllen. Jede Dreiergruppe dort bringt zwar nur vier Punkte, aber zwei Mal, manchmal sogar drei Mal kann man das schaffen – bringt sagenhafte 12 Extrapunkte.
Überhaupt die Wertung: Bonus-Chips vom Brett zu sammeln ist immer gut, besonders wenn so ein Chip zufällig noch auf dem Viertel liegt, für das man die Auftragskarte hat. Aber man darf auch die fünf Punkte nicht verachten, die man für das höchste Gebäude in einem Stadtteil erhält. Da kann man absahnen, besonders wenn man mit Anfängern spielt, die dieses Sahnehäubchen gar nicht beachten. Die Chancen liegen im Detail. Man darf sich auf keinen Fall verzetteln und Figuren irgendwo aufs Brett bringen, es muss mit jeder etwas heraus springen. Und sei es, dass man mit seiner letzten Figur wirklich Schluss machen kann.
All dies betrifft nur das Expertenspiel. Es gibt auch noch ein Familienspiel. Da bekommt jeder Mitspieler nur eine und auch deutlich einfachere Auftragskarte. Punkte für das höchste Gebäude pro Stadtteil entfallen. Damit kann man, muss man sich aber nicht beschäftigen. Als Fairplay-Leser im besten Alter kann man das aber gut mit seinem Nachwuchs spielen, so der Nachwuchs denn tolerant gegenüber abstrakten und etwas „anders“ aussehenden Spielen ist. Aber es wird wohl nur eine Zwischenetapppe bleiben. Irgendwann wird jeder zum Experten.
Wenn ich Redakteur bei Ystari wäre, hätte ich dem Spiel ein Brett aus mehreren Teilen spendiert. Je nach Spieleranzahl werden alle oder weniger Stadtteile benötigt, da hätte man gut METROPOLYS aus mehreren Teilen zusammenbauen können. Als Redakteur wäre ich sogar überaus glücklich mit diesem Spiel. Die Regeln sind kurz und eingängig, man muss nix aufbauen oder vorbereiten und es entwickelt sich doch ein spannendes Spiel. Als Redakteur würde ich alles daran setzen, es gegenüber den skeptischen Verkaufsprofis und mainstreamigen Marketingleuten durchzusetzen. Das müsste ich wohl, denn wer kauft heute noch abstrakte Spiele, die so ynders aussehen?
Wolfgang Friebe
METROPOLYS von Sebastien Pauchon für 2 bis 4 Personen, Ystari bzw. Huch and Friends 2008
Schon auf den zweiten Blick wird es sonnenklar, METROPOLYS ist ein abstraktes Spiel – auch wenn es vordergründig um Gebäude geht. Wir sind Architekten und mit uns lebt Fritz Langs Metropolis wieder auf. Fünf Stadtteile mit jeweils ganz vielen Vierteln, fein säuberlich durch Kanäle getrennt, mit Brücken verbunden und mit Statuen und Seen geschmückt. 13 Gebäude kann jeder errichten, bestenfalls und natürlich möglichst punkteträchtig. Die Steine sollen auf die lukrativsten Viertel. Jeder weiß, was Punkte bringt. Die beiden eigenen Auftragskarten, eine für ein Viertel, eine für bestimmte Gebäudekombinationen, bleiben geheim. Der eine will auf grünen Feldern und/oder rund um die Statuen bauen, der andere auf roten Feldern und/oder rund um die Seen. Aber das weiß erstmal kein anderer. Für jeden ersichtlich ist die Verteilung von Bonus- und Malus-Chips auf dem Brett ... da wird man wo es geht sicher einen Bonus-Chip abgreifen. Seine eigenen Ziele muss man konsequent verfolgen, jeder wertvolle Stein auf einem unbrauchbaren Feld, ist vergeudet.
Und gerade die hohen Steine sind besonders wertvoll, denn die wird man viel einfacher in einem Viertel unterbringen. Mit den niedrigen hat man mehr Mühe. Und nicht nur die Werte sind niedriger, den kleinen Steinen fehlt es faktisch an Höhe. Drei Gruppen – mit unterschiedlichen Höhen – hat jeder von uns. Und einer fängt irgendwo an, platziert einen seiner Steine – Höhe egal. Das kann tatsächlich irgendwo sein – jedenfalls zu Beginn, denn wo wirklich gebaut wird bzw. werden kann, ist noch gar nicht sicher. Die nachfolgenden Spieler können nämlich überbieten, mit einem höherwertigen Stein, der auf ein angrenzendes freies Viertel kommt. Nur der höchste Stein bleibt stehen, alle anderen kommen wieder zu ihren Eigentümern zurück. Wenn ich gleich zur Dreizehn greife, haben die anderen keine Chance mehr. Einen höheren Stein haben sie nicht, ich sichere mir ein Grundstück, und muss für den Rest des Spiels auf die wertvolle Dreizehn verzichten. Groß und schön steht mein Stein in METROPOLYS. Hauptsache, das Feld auf dem er steht, ist wichtig genug.
Ich beginne wieder irgendwo und die anderen überbieten oder eben nicht. Plötzlich fällt es wie Schuppen von den Haaren, METROPOLYS ist doch kniffliger als man bei dem banalen Anfang gedacht hat. Das Spiel hat seine Stärke eindeutig im Mittelspiel. Gerade dann erfordert es sorgfältiges Nachdenken, sonst hagelt es Steilvorlagen für den nächsten Spieler. Schludriges Spielen duldet METROPOLYS keinesfalls, verleidet einem sogar das Spiel ... falls man nicht gerade davon profitiert. Mitpieler mit sehr unterschiedlicher Spielstärke stören die Balance - es gibt keine Würfel, kein Glück schafft Ausgleich für Patzer. Es gibt wirklich was zu überlegen. Man kann sich selbst gut Vorlagen schaffen, besonders wenn man noch hohe Steine hat und die anderen ihre schon verbraten haben. Wer sich also anfangs zurück hält, hat später gute Chancen. Wer von den anderen immer überboten wird, schaut längere Zeit zu. Möglicherweise geht METROPOLYS zu Ende, ohne dass man selbst noch aktiv werden darf. Wer seine Mitspieler so unter der Knute hält, sie längere Zeit gar nicht ins Spiel kommen lässt, kann punkten. In erster Linie natürlich wegen der Mitspieler, die es dazu überhaupt erst kommen ließen.
Ein Situation ist mehr als typisch und betrifft die Halbinseln, also jene Viertel, die in die Seen hineinragen. Wer immer auf dem Feld davor bauen kann, darf quasi kostenlos auch noch die Halbinsel bebauen, denn die hat keine Nachbarviertel. Das einzige Nachbarfeld ist ja gerade bebaut worden. So eine Vorlage wird gerne mit einer Eins bebaut, besonders wenn die Farbe der Halbinsel mit der Auftragskarte identisch ist. Und die Eins muss man los werden, sonst kann man das Spiel nicht beenden. Sackgassen funktionieren so ähnlich und sind dementsprechend beliebt, jedenfalls bei fortgeschrittenen Mitspielern.
Man kann schon steuern, wohin die Reise bzw. das Bauvorhaben geht. Wenn rundherum gar kein Feld mehr frei ist oder nur noch Malus-Chips liegen, dann ist vorausberechenbar, was passieren wird. Meistens jedenfalls, wenn man die Spielweise der Mitspieler einschätzen und sich auch darauf verlassen kann. Wird A einen Malus-Chip nehmen, hat B überhaupt ein Interesse an dem Feld, spart C seine hohen Figuren noch für später. Oder spielt C eher aus dem Bauch und macht das Spiel damit unkalkulierbar?
Neben der situationsbedingten Taktik haben allerdings auch die Auftragskarten deutliche Auswirkungen. Es gibt eine Auftragskarte, die ist sehr schwierig zu erfüllen. Auf den drei Vierteln rund um eine Statue Häuser zu bauen, bringt sieben Punkte. Das ist aber kaum, höchstens ein Mal zu schaffen. Da ist die Karte, die jeweils drei Gebäude in einem Stadtteil fordert, geradezu läppisch einfach zu erfüllen. Jede Dreiergruppe dort bringt zwar nur vier Punkte, aber zwei Mal, manchmal sogar drei Mal kann man das schaffen – bringt sagenhafte 12 Extrapunkte.
Überhaupt die Wertung: Bonus-Chips vom Brett zu sammeln ist immer gut, besonders wenn so ein Chip zufällig noch auf dem Viertel liegt, für das man die Auftragskarte hat. Aber man darf auch die fünf Punkte nicht verachten, die man für das höchste Gebäude in einem Stadtteil erhält. Da kann man absahnen, besonders wenn man mit Anfängern spielt, die dieses Sahnehäubchen gar nicht beachten. Die Chancen liegen im Detail. Man darf sich auf keinen Fall verzetteln und Figuren irgendwo aufs Brett bringen, es muss mit jeder etwas heraus springen. Und sei es, dass man mit seiner letzten Figur wirklich Schluss machen kann.
All dies betrifft nur das Expertenspiel. Es gibt auch noch ein Familienspiel. Da bekommt jeder Mitspieler nur eine und auch deutlich einfachere Auftragskarte. Punkte für das höchste Gebäude pro Stadtteil entfallen. Damit kann man, muss man sich aber nicht beschäftigen. Als Fairplay-Leser im besten Alter kann man das aber gut mit seinem Nachwuchs spielen, so der Nachwuchs denn tolerant gegenüber abstrakten und etwas „anders“ aussehenden Spielen ist. Aber es wird wohl nur eine Zwischenetapppe bleiben. Irgendwann wird jeder zum Experten.
Wenn ich Redakteur bei Ystari wäre, hätte ich dem Spiel ein Brett aus mehreren Teilen spendiert. Je nach Spieleranzahl werden alle oder weniger Stadtteile benötigt, da hätte man gut METROPOLYS aus mehreren Teilen zusammenbauen können. Als Redakteur wäre ich sogar überaus glücklich mit diesem Spiel. Die Regeln sind kurz und eingängig, man muss nix aufbauen oder vorbereiten und es entwickelt sich doch ein spannendes Spiel. Als Redakteur würde ich alles daran setzen, es gegenüber den skeptischen Verkaufsprofis und mainstreamigen Marketingleuten durchzusetzen. Das müsste ich wohl, denn wer kauft heute noch abstrakte Spiele, die so ynders aussehen?
Wolfgang Friebe
METROPOLYS von Sebastien Pauchon für 2 bis 4 Personen, Ystari bzw. Huch and Friends 2008
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