Siedeln in Ingolstadt
... wie es dazu kam und was daraus wurde ...
"Eine glänzende Idee hatte die Schülerin des Leistungskurses Geschichte am Katharinen-Gymnasium, Juliane Frinken, für ihre Facharbeit 1998/99, betreut von Gudrun Steiner und Elisabeth Frenk: das Austüfteln eines Brettspiels zur Historie der Stadt Ingolstadt von 1250 bis 2000, also der Blütezeit der Herzogs- und Universitätsstadt.
Für die Computerunterstützung ihrer Vorlage fand Juliane in Florian Gulden, Absolvent des Scheiner-Gymnasiums, einen graphisch begabten Mitarbeiter. Beide studieren übrigens inzwischen jeweils die Fächer, für die sie bei der Entwicklung des Projektes besondere Begabungen gezeigt haben.
So also entstand das Spiel "Auripolis", wie die Humanisten in einer lateinisch-griechischen Wortspielerei Ingolstadt ("In-Gold-Stadt") nannten. Auf der Suche nach Beiträgen für das Ingolstädter "Stadtwerdungsfest" im Jahre 2000 erfuhren wir von der ungewöhnlichen "Facharbeit", die vor allem interessante Einblicke in die mittelalterliche und frühneuzeitliche Lebenswelt verschafft, und entschlossen uns, das hübsche Produkt lehrreicher Unterhaltung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Jung und Alt werden ihre Freude daran haben, spielerisch den immer wieder faszinierenden Spuren durch die Jahrhunderte unserer so geschichtsträchtigen, schönen und an Kostbarkeiten reichen Stadt zu folgen."
Wie finden Sie diese salbungsvollen Worte von Elin Reismüller, der Herausgeberin des Donaukuriers? Spricht sie nicht voller Stolz über Ingolstadt!? ... und ist sie nicht noch stolzer, AURIPOLIS erst möglich gemacht zu haben? Normalerweise wäre alles auf kleiner Ingolstädter Flamme gekocht worden, aber da sei das Internet vor. ... und so ging's los, in jenem Forum aller Selbstdarsteller, Profilneurotiker und begeisterter Surfer. Naja, sicherlich gibt's auch richtig anspruchsvolle Dinge im Netz, sonst wäre unser Chef-Surfer Ralf E. Kahlert nie und nimmer auf die Homepage von AURIPOLIS (www.auripolis.de) gestoßen. Sein Kommentar zur Homepage, die von der Online-Redaktion des Donaukuriers geschaffen wurde: "Sieht toll aus, sieht nach den SIEDLERn aus, müssen wir mal besorgen".
Der erste Anruf beim Donaukurier führte ins Leere. Das Spiel sei seit Weihnachten 1999 vergriffen, weitere Infos könne man nicht geben. Das war alles, und das, obwohl es die wunderhübsche Site im Netz gab. Wo war nur der Stolz der Herausgeberin geblieben? Dürre Worte gab's zu hören, sonst nix. Aber es passierte doch noch etwas: www.auripolis.de verschwand heimlich, still und leise aus dem Netz. Wie dumm, die Site nicht ausgedruckt zu haben. ... und was für ein Glück, denn "Forbidden - You don't have permission to access / on this server" fachte nur noch mehr die Neugier an. Die weitere Recherche im Netz führte noch zu einem Interview des Donaukuriers (www.clix.de/fun/interview/interview.php3?9) mit der 20-jährigen Autorin Juliane Frinken. Von dort aus gab es sogar noch einen Link zur AURIPOLIS-Homepage.
... und dann geschah das Unerwartete, die virtuelle Welt spülte ein ganz reales AURIPOLIS auf den hiesigen Spieltisch. Schon beim ersten Spielen war klar: AURIPOLIS ist ein ganz naher Verwandter der Siedler, sozusagen ein Nachfahre aus direkter Linie. ... und endlich kam auch mehr vom Donaukurier. Zeigten sich die unteren Chargen recht zugeknöpt, offenbarte Herr Sander ein paar Details. 5000 Stück habe man gemacht, die alle innerhalb von drei Wochen im Weihnachtsgeschäft anno 1999 in Ingolstadt abgesetzt worden sind. ... und natürlich habe man sogar einen Patentanwalt eingeschaltet. Für die Zukunft gedenke man nicht, weitere Spiele aufzulegen. Warum wohl nicht?! In Sachen Kosmos war dann von ihm nichts mehr zu erfahren. Nur noch dies: Im Januar 2000 hat es in Ingolstadt noch einen Errata-Zettel zur Spielanleitung gegeben. Der Hinweiszettel ist auch bitter nötig, denn die AURIPOLIS-Regel ist wirklich schlecht. Schließlich haben sich auch noch Fehler bei der Produktion eingeschlichen, die damit halbwegs ausgebügelt werden konnten.
Beim Stammvater der Familie hat man offensichtlich schnell von der SIEDLER-Nachahmung erfahren. Nachdem sich die Anwälte der Beteiligten ausgetauscht haben, war die Sache offensichtlich schnell vom Tisch. Den Ingolstädter wurde nahegelegt, keine weiteren Spiele mehr aufzulegen. Juliane Frinken, die im Clix-Interview nur verschämt als Enwicklerin von AURIPOLIS beschrieben wird, versteht die ganze Sache nicht. Bei so einer kleinen Auflage und dazu noch der regionale Bezug! Schließlich hatte sie schon 1998 beschlossen, für die Schule eine etwas andere Facharbeit im Fach Geschichte zu erstellen. Statt eines trockenen Textes sollte es ein Spiel über die Geschichte Ingolstadts werden. Also machte sie sich im August/Septemer 1998 daran, die Fakten und den historischen Hintergrund über ihre Heimatstadt zu sammeln. Ihr Wissen hat dann auch seinen Niederschlag in den Ereigniskarten gefunden. Der Zeitraum der Ereignisse beschränkte sich Anfangs auf die Jahre 1250 bis 1813. Im Oktober wurde dann die Idee ausgearbeitet und zusammen mit ihrem Grafiker in drei bis vier Wochenenden nach Weihnachten 98 fertiggestellt. ... und für das "Stadtwerdungsfest" produzierte der Donaukurier einige Teile von AURIPOLIS im eigenen Haus und bei Scheer Spiele, ebenfalls aus Ingolstadt und gleichzeitig auch SIEDLER-Produzent. Eine wesentliche Änderung wurde aber noch vorgenommen. Die Ereigniskarten reichen jetzt sogar bis 1990: "Im Juli 1990 erreicht die Einwohnerzahl Ingolstadts 100000. Damit wird die Stadt zu einer Großstadt." Herzlichen Glückwunsch.
Wolfgang Friebe
AURIPOLIS von Julian Frinken und Florian Gulden (Grafik) für 3 oder 4 Personen, Medienverbund Donaukurier, Ingolstadt 1999, 34,90 DM
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