Mittwoch, 21. Juni 2000

+ Auripolis - Das Spiel

... das Spiel ...

Ingolstadt - respektive AURIPOLIS - nähert man sich am besten mit dem Boot. ... und zwar jeder mit seinem eigenen Schiffchen. Natürlich will jeder zu Rohstoffen kommen, zu Salz, Wein, Eisen, Korn oder Holz, weshalb das Schiff mit diesen Waren beladen wird. Natürlich kommt keiner an eine bestimmte Ladung, da sei der zehnseitige Würfel und die Tabelle vor. Also würfelt jeder viermal, vergleicht Würfelwurf mit der Tabelle und deponiert die gewonnene Ladung im Ständer. Die Karten mit den Rohstoffen passen ja nun wirklich nicht ins Boot, weshalb der Ständer zwar nicht stimmig, aber doch funkional und einigermaßen schön ist. Nun denn, das Boot liegt mit all den Waren tief im Wasser, jetzt muss es vorwärts. Sie dürfen sich schon mal überlegen, mit welcher Geschwindigkeit sich Ihr Boot bewegen soll: mit 1/1, 1/2 oder 1/4 Geschwindigkeit. ... und Sie müssen sich auch noch überlegen, ob's vorwärts, rückwärts oder seitwärts gehen soll. Ist Ihre Entscheidung gefallen? ... dann würfeln Sie mit dem achtseitigen Würfel und schauen auf der Tabelle auf dem Spielplan nach, ob Ihr Schiff eins bis acht Felder auf der Donau zurücklegt. Leider, leider sind die Startpositionen nicht alle gleich gut, und außerdem sind die Zielfelder nicht gerade eindeutig gekennzeichnet. Zwar steht am Ingolstädter Ufer Ihr Handelshaus, aber an welcher Anlegestelle sich Ihr Handelshaus befindet, müssen Sie sich selbst zusammenreimen. Die Häuser liegen alle hintereinander am Ufer, so dass jemand den weitesten und ein anderer einen besonders kurzen Weg ins Ziel hat. ... und weil die Donau kein Kanal ist, verengt sie sich natürlicherweise von vier auf drei Spuren, was das Manövrieren auch nicht gerade vereinfacht.

Auch wenn Ihr Schiff noch unterwegs sein sollte, in Ingolstadt gibt's währenddessen genug zu tun. Immer, wenn eine Runde abgeschlossen ist, darf der jüngste Mitspieler eine Ereigniskarte vorlesen, die im Regelfall alle betrifft. Eingeleitet durch stadthistorisches Blabla folgt meistens etwas wie: "Ein Unrecht kann bestraft werden. Eine Weiterentwicklung der Rechte. Baue sofort eine Straße." Oder: "Steuer: Gib 1 beliebige Rohstoffkarte ab." ... und? Ist das schon alles?! Nein, denn wenn es Ihnen gelingen sollte, eine Bastion zu ergattern, dürfen Sie eine Straße Ihrer Mitspieler wieder abreißen. Ja, werden Sie denken, was ist denn das für ein merkwürdiges Spiel. Genau, deshalb spielen Sie ja bei AURIPOLIS eigentlich DIE SIEDLER. Nein, es sind aber nicht DIE SIEDLER VON NÜRNBERG, sondern DIE SIEDLER IN AURIPOLIS. ... auf einem festen Plan zwar und auch ohne Räuber, das ändert aber so gar nichts an der Tatsache, dass es doch DIE SIEDLER sind, die da an allen Ecken um die Ingolstädter Häuser lugen. Da zeigt sich die Qualität des Teuberschen Spiels, das selbst Operationen am offenen Herzen verträgt.

Eines lernt man bei AURIPOLIS sehr schnell; nämlich dass im Original der Räuber sehr wichtig für die Spielbalance ist. Mit der ganzen Hand voller Karten kann man bei AURIPOLIS einiges bewirken, es sei denn man verliert welche durch Ereigniskarten. Bei AURIPOLIS gibt's sogar Siebener-Chips, an denen zu siedeln aus Gründen der Statistik sicher sehr lohnenswert ist.

... und wenn AURIPOLIS als Spiel bestenfalls ein "geht so" verdient, wie schaut's dann mit dem Material aus? Da ist die quadratische Schachtel, bei AURIPOLIS offensichtlich einem babyblauen Schuhkarton für Kindergummistiefel entlehnt, da sind die nur anders benannten Rohstoffkarten und die Tabelle für die Tauschverhältnisse. Alles sehr SIEDLER-verdächtig. Eigentlich ist das Material ganz gut, denn alles ist professionell produziert und auf den ersten Blick auch wirklich schön anzuschauen. Aber praktisch ist es nicht, es zeigt sich doch deutlich, dass ein Zeitungsverlag noch lange kein Spieleverlag ist. Auf dem schwarz-weiß-grau-braunen Spielplan verlieren sich die nichtssagenden schwarz-weißen Rohstoff- und Zahlenchips. Auch die Grafik auf den Rohstoffkarten ist fürs Spielen nicht gerade prickelnd. ... und erst die Regel. Wenn ich nicht DIE SIEDLER schon gekannt hätte, hätte ich doch arge Probleme mit AURIPOLIS gehabt. Nicht umsonst gab's zum Spiel eine offizielle Errata, die in Ingolstadt verteilt wurde. ... aber weil Sie DIE SIEDLER ja in- und auswendig kennen, dürften die Ingolstädter Hürden für Sie kein Problem darstellen. Aber sind Sie auch ein SIEDLER-Fetischist, dass Sie dieses Spiel unbedingt haben müssen?

Wolfgang Friebe

AURIPOLIS von Julian Frinken und Florian Gulden (Grafik) für 3 oder 4 Personen, Medienverbund Donaukurier, Ingolstadt 1999, 34,90 DM

Zuerst veröffentlicht in der Fairplay 52

1 Kommentar:

  1. "Da zeigt sich die Qualität des Teuberschen Spiels, das selbst Operationen am offenen Herzen verträgt."
    Stimmt, wie auch die zahlreichen Varianten und Erweiterung von Klaus selbst zeigen. ;-)

    Abkupfern ist allerdings schon dreist.

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