Montag, 24. Januar 2011

Rezension: Die Minen von Zavandor

Alexander Pfister: DIE MINEN VON ZAVANDOR für 2-4 Spieler, Lookout 2010

Pickelhauben für Zwerge

Gut, dass ich daran erinnert werde. Ich hab's ja nicht so mit Jubiläen. Man muss mich darauf stoßen, nur nicht zu sachte bitte. Unten auf dem Cover steht es, erdig auf Erde: 10 Jahre Lookout. Wohl gänzlich unerwartet – denn es folgt ein Ausrufezeichen! Als wäre es gestern, dass Lookout gelbe Skatschachteln mit BOHNANZA-Erweiterungen verkaufte. Als wäre es gestern, dass sie sich bei ebay in Nullkommanix zu Spekulationsobjekten mauserten. Als wäre es gestern, dass sich lange Schlangen vor Lookouts Messestand bildeten. Die Verleger sind sicher mehr als zufrieden, haben sie sich doch so etwas wie ein Abonnement auf Erfolg erarbeitet. Dass mal Mikromanagementspiele wie AGRICOLA und LE HAVRE, bei denen so allerlei von rechts nach links sortiert wird, so gut ankommen, hätte ich nie erwartet … bis ich sie selbst gespielt habe. 10 Jahre Erfolg! Da muss man ja gratulieren! ... mit Ausrufezeichen!

Aber es geht hier nicht um das Verlagsprogramm, es geht um Qualitäten. Besonders wenn man Jubiläum feiert. Dann gibt es … nach den ganzen Erfolgen … was ganz Besonderes, was übermenschlich Gutes … eben dieses Spiel, so erdig, so tiefgründig, so unterirdisch. Muss ja, denn es spielt in mehreren Minen. Spiele mit Drachen und den Zwergenclans der Saumagens, Ranzengardens, Humpenhebers, Schmerbauchens, Guglhupfens … sorgen sofort für ungeahnte Sympathie. Ich mag ja besonders die Saumagens, Essen ist doch irgendwie jedem sympathisch. Die Atmosphäre ist so dicht, dass man sich beinahe selbst als einer der Guglhupfens fühlt … die tragen Pickelhaube, sind trotz des Namens ganz bestimmt Preußen. DIE MINEN VON ZAVANDOR sind gar nicht gefährlich, keine Schlagwetter, kein Methan und erst recht kein Vergleich mit der Mine von Moria, keine Orks, nur ein halbgefährlicher Drache, dafür vier Packdrachen. Kennen Sie nicht?! Darf ich Ihnen vorstellen: Güllefassum, gehört zum Clan der Bärenwürzer, Gisemück von den Lavatrinkern, Sandmeer von den Bergdudlern und auch Dragobet von den Bocksbeutlern. Und bitte, sagen Sie niemals Dagobert, das mag der liebe Dragobet gar nicht. Dann wird der wild! Mit Ausrufezeichen!

Doch nicht ganz ungefährlich da unten. Aber eigentlich bekümmern uns nur die Edelsteine: Saphire, Smaragde, Diamanten und Rubine. Die müssen wir abbauen, als Karten von vier Minenstapeln sammeln. Einkommen verschaffen uns Zwerge, mit einem Clan startet jeder. Das Einkommen ist aber auf 6 Edelsteine pro Runde limitiert. Erst wenn unser Packdrachen voll ausgebaut ist, ist diese schmerzliche Einkommensgrenze aufgehoben. Mit den Edelsteinen ersteigern wir „Erweiterungskarten,“ die Einkommen und fast immer Siegpunkte generieren. In den MINEN VON ZAVANDOR läuft alles nach alter Väter Sitte: Einkommen in Edelstein(kart)en aus den vier Minen kassieren, untereinander 1:1 oder mit der Bank 2:1 tauschen, auf die wichtigen Erweiterungskarten in den vier Farben bieten und vielleicht sogar erwerben. Nur der 1:1-Tausch lohnt mit den Mitspielern, alles andere wird mit den Minenstapeln abgewickelt, deshalb ist die Phase ruckzuck abgeschlossen. „Will jemand Blau gegen Grün tauschen? Nein, dann tausche ich 2:1 und hole mir einen Smaragd.“ Fertig! Mit Ausrufezeichen!


Es kommt doch noch etwas: Die Aufwertungsphase. Die Erweiterungskarten muss man, ebenso wie seinen Start-Clan und Packdrachen erst aufwerten, mit Klötzchen bestücken. Je mehr drauf liegen, umso besser wirkt die Karte, umso mehr Einkommen bekommt der Clan und so weiter und so fort. Und erst wenn alle erforderlichen Klötzchen darauf liegen, gibt’s die versprochenen Siegpunkte – wichtig! Dickes Ausrufezeichen, denn darum geht’s ja!

Man muss schon mit den Edelsteinen geschickt haushalten, denn man muss sich entscheiden: Entweder fürs Ersteigern oder fürs Aufwerten. In der Phase vor dem Aufwerten kommt das Ersteigern, und dafür eingesetzte Edelsteine sind tabu, selbst wenn man leer ausgeht. Und fürs Aufwerten wird es noch verzwickter, denn oft muss man dafür ganz bestimmte Edelsteinkarten abgeben. Welche … darüber entscheidet der Gewinner der Erweiterungskarte der Saphirmine, darüber, auf welches von beiden Feldern der König zieht. Dadurch bestimmen sich Farbe und Anzahl der erforderlichen Edelsteine, nur manchmal hat der König keine Wahl, das Feld und damit Farbe und Anzahl sind vorgegeben. Der König ist zugleich auch Rundenzähler, denn wenn er am Ende seines Weges seinen Thronsaal betritt, ist Schluss. Da darf man keine Zeit verlieren! Mit Ausrufezeichen!

Den Weg des Königs gibt es einmal in schön und einmal in übersichtlich. So schön wie sein Weg durch den Berg ist, so übersichtlich ist die Rückseite. Ob die Redaktion wohl deshalb eine abstrakte Seite vorgesehen hat? Ist jedenfalls eine prima Idee, wenn auch etwas Atmosphäre entweicht. Trotzdem: Lieber übersichtlich als schön. Wenn man sowieso voll und ganz mit Kartenmanagement ausgelastet ist, dann doch bitte mehr Übersicht an wichtiger Stelle! Das Ausrufezeichen ist Ihnen nicht entgangen?!

Etliche Erweiterungskarten sind zum Glück nicht der Willkür des Königs und damit eines Mitspielers ausgesetzt. Diese Karten geben die Ausbaufarbe vor, das erleichtert das Spielerleben. Man kann sich darauf einstellen, sich die erforderlichen Edelsteinkarten gezielt besorgen. Das spart, denn sonst muss man vorbauen, sich beide Möglichkeiten des Königs offen halten oder den richtigen Riecher beweisen. Das Spiel ist nämlich zu kurz, als dass man Tempo verschenken sollte! Mit Ausrufezeichen!

DIE MINEN VON ZAVANDOR ist eines dieser ungezählten Management- bzw. Optimierungsspiele. Hat Lookout einen Faible für diese Art Spiel? Ist ja nicht das erste Lookout-Spiel dieser Art, diesmal aber fast nur mit Karten. So übersichtlich der abstrakte Königsweg sein kann, so schlecht lassen sich die vier Minen- und Edelsteinstapel unterscheiden. Es entsteht einiges an Gewusel auf dem Tisch, der auch nicht zu klein sein darf. Und kontrollieren Sie bloß vor jeder Partie die Zusammensetzung jeden Kartenstapels. Nie und niemals darf sich eine falsche Karte einschleichen, denn sonst ist die Spielbalance gerade mit weniger als vier Spielern deutlich gestört. Sorgfältiges Sortieren ist gut, nochmalige Kontrolle besser! Dickes Ausrufezeichen!

DIE MINEN VON ZAVANDOR ist sicher ein sehr ordentliches Spiel, man kann unterschiedlich heran gehen. Die konservative Spielweise: Den eigenen Clan bis zum letzten Klöztchen ausbauen, das bringt viele Siegpunkte und später auch kostenlose Klötzchen für Erweiterungskarten. Das ist solide, das ist die Nummer sicher. Meine Alternative: Die Einkommensleiste meines Zwergenclans nur so weit auszubauen, um drei Karten von der blauen Saphir-Mine ziehen zu können. Das ist schnell erreicht und unter diesem Einkommen sollte man nicht bleiben. Ich ersteigere dann Erweiterungskarten vorzugsweise einer Mine, denn da ist die Farbe für den Ausbau der Erweiterungskarten vorgegeben – Adieu Abhängigkeit! Der Gewinner der Saphir-Auktion kann dann entscheiden, was er will und den König setzen, wohin er will. Mir egal – mit Ausrufezeichen!

Sechs Plätze hat jeder für Erweiterungskarten auf seinem Tableau, deshalb sollten sich die Ausbauten gut ergänzen. Ich ersteigere gerne Clans, um zusätzliches Einkommen aus höherwertigeren Minen zu erzielen, und erwerbe Karten, die andere Karten aufwerten, zumindest aber viele Siegpunkte bringen – natürlich vorwiegend Karten einer Farbe. Haste was, dann biste was, deshalb lohnt die Spezialisierung auf eine Mine (=Farbe). Ich setze gern auf Grün. Gerade im Dunkeln ist Grün gut für die Augen. Ohne Ausrufezeichen, denn diese Weisheit hat vor Jahren ein dösiger Mitspieler mehr als einmal verkündet. Bei diesem Spiel klingelt es mir wieder in den Ohren …

Mit dieser Strategie muss man nur schnell genug sein, darf keinen Zug verschenken. Zu wichtig ist der komplette Ausbau aller eigenen Erweiterungskarten, sonst kann man die vielen Siegpunkte für einen komplett ausgebauten Zwergenclan nicht ausgleichen oder übertreffen. Eine Partie ist mit einem äußerst knappen Ergebnis zu Ende gegangen. Leider zu meinen Ungunsten, denn bei gleicher Punktezahl wird die Anzahl übrig gebliebener Edelsteinkarten verglichen. Mein Gegner hatte eine Karte mehr und damit den Sieg in der Tasche! Sch...!!! Mit drei Ausrufezeichen.

Ist das eine Herausforderung? Klar, DIE MINEN VON ZAVANDOR ist trotz des unterirdischen Themas und der leckeren Regel kein schlechtes Spiel. Leckere Regel? Ja, so schön karamellig, als wären die Seiten wie die bekannte Creme mit dem Bunsenbrenner karamellisiert worden. Aber haben Sie die Nachtigall trappsen hören? Kein schlechtes Spiel?! Was heißt das eigentlich? Im Vergleich zu den letzten Lookout-Spielen ist das hier nur Hausmannskost. Ordentlich ja, Zeitverschwendung nein, immerhin. Guter Durchschnitt, kann man spielen, muss man aber nicht. Sucht sich Lookout eine neue Zielgruppe? Nach 10 Jahren nicht mehr nur Spiele für Freaks??? Mit fetten Fragezeichen!

Wolfgang Friebe

Zuerst veröffentlicht in der Fairplay

1 Kommentar:

  1. Danke für die Rezi, Wolfgang! Als Autor war mir bei den Minen von Zavandor wichtig, dass die Kombination aus wenig Regeln + geringem Glücksanteil für Gelegenheitsspieler einen leichten Einstieg ermöglicht und für Vielspieler trotzdem genug Herausforderung bietet. Spiele, die beide Gruppen an einen Tisch bringen, sind rar gesät. Wobei mir schon klar ist, dass der eine oder andere Hardcorespieler, der sich die Komplexität vom Namensvetter Zepter erhofft hat, entäuscht sein wird. Dafür dauert eine Partie aber auch nur 60-90 Minuten.

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